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Wanderung nach Myrtiótissa


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Mi, 12. März 2006]

Als wir an diesem Morgen aufstehen, sind von unserem Balkon aus die ersten Sonnenstrahlen sichtbar und versprechen uns einen schönen Urlaubstag. Wir pilgern in den Aussichtspavillon, wo Sofia mit dem Frühstück aufwartet. Dann machen wir uns zu unserer ersten Wanderung auf. Einem leider schon etwas veralteten Wanderführer von Sunflower Books, den ich mir in der heimischen Stadtbücherei ausgeliehen habe, entnehmen wir die Wegbeschreibung, die uns über Pélekas, den Glifada Beach bis zum Kloster Myrtiótissa führen soll. Begleitet von einem Mix aus Sonne und Wolken stapfen wir die Straße in Richtung Pélekas hinauf. Da wir diesen Weg am Vortag ja bereits entlang gegangen sind, bilde ich mir an einer bestimmten Kehre ein, ihn durch einen Abstecher querfeldein abkürzen zu können. Doch der Straßenabschnitt, den ich von unten zu erkennen glaube, erweist sich nicht als die Fortsetzung der Straße nach Pélekas, sondern als ein von ihr abzweigender Privatweg, an dessen Ende mich auch noch ein Maschendrahtzaun an der Rückkehr auf die eigentliche Straße behindert. Während Kordula also schon fast oben auf dem Berg ist, muss ich noch den dämlichen Zaum überwinden, was mir ohne die Verbreitung eleganter Ausstrahlung, dafür wenigstens verletzungsfrei gelingt.

In Pélekas angelangt, decken wir uns in einem kleinen Laden erst einmal mit Brot ein. Dabei treffen wir auf eine Gruppe israelischer Wanderer, die wie wir am Vortag auf Korfu angelangt ist, in Pélekas übernachtet hat und sich nun in dem Laden Auskünfte oder besser noch eine Karte über den Corfu-Trail zu ergattern erhofft, dem sie währed der nächsten Tage nordwärts folgen will. Der Corfu-Trail ist ein Wanderweg, der sich von Nord nach Süd über die gesamte Insel schlängelt und dabei die schönsten Landschaftsabschnitte und Aussichtspunkte miteinander verbindet. Bezeichnenderweise wurde er von einer Britin ins Leben gerufen, da dem Griechen als solchen die Wanderslust nicht gerade in die Wiege gelegt ist. Warum man jedoch auf Korfu selbst kaum eine Möglichkeit findet, an Informationen oder gar Kartenmaterial über den Corfu-Trail zu gelangen, bleibt das unergründliche Geheimnis der kommunalen Touristenverbände, die in dem blinden Vertrauen auf die Attraktivität ihrer Insel als Sommerbade- und Partydomizil ihren wahrscheinlich noch viel größeren Wert als das Wanderparadies, das sie ist, verkennen und sich leider auch nicht um die Verwirklichung oder Erhaltung einer durchgängigen Wegmarkierung bemühen. Die einzige Informationsquelle über den Corfu-Trail, die ich im Vorfeld unseres Urlaubs gefunden habe, ist die offizielle Internetseite. Deren Informationsgehalt war zumindest im Frühjahr 2006 allerdings mehr als dürftig, zumal das auf der Seite beschriebene Informations- und Kartenmaterial zu diesem Zeitpunkt angeblich nicht mehr vorrätig war.

Es ist also nicht überraschend, dass unsere Israelis unverrichteter Dinge wieder aus dem Laden herauskommen. Anhand unseres Wanderführers, in dem der Verlauf des Trails im Raum Pélekas immerhin grob skizziert ist, können wir ihnen immerhin ein paar Anhaltspunkte liefern. Nachdem wir uns von ihnen verabschiedet haben und unseren Weg fortsetzen, treffen wir dann am nordwestlichen Ortsausgang überraschenderweise selbst auf Markierungen des Trails. Am südlichen Ortsausgang sucht man sie nebenbei bemerkt vergeblich. Wir folgen dem kleinen unterhalb der Straße verlaufenden Pfad bergabwärts. In einer Kurve treffen wir wieder auf die Straße, die sich hier gabelt und nach links zum Glifada Beach hinabführt. Schließlich stehen wir an dem langgestreckten, schönen Strandabschnitt, dessen verlassen daliegende Einrichtungen jedoch auch hier eine fast bedrückende, vorsaisonale Leblosigkeit verströmen. Die Pause, die wir einlegen, wird uns bald durch den heftig auffrischenden Wind und die Sandwolken, die er uns in die Gesichter wirbelt, vergällt.

Die anschließende Suche nach dem in unserem Wanderführer skizzierten Weg zum benachbarten Myrtiótissa Beach erweist sich dann als langwierig. Vom nördlichen Strandende soll ein Pfad von der Straße in Richtung Norden abzweigen. Doch der einzige Pfad den wir finden, verliert sich hinter einer Gruppe von Häusern nach wenigen hundert Metern im Dickicht. Schließlich kapitulieren wir und setzen unseren Weg entlang der in zahlreichen Kehren bergauf führenden Straße fort. In einer von ihnen zweigt ein Schotterweg nach Nordwesten ab. Hier probieren wir unser Glück noch einmal — mit hohem Einsatz, denn der Weg ist enorm steil und kräftezehrend. Doch wir haben Erfolg. Zum einen finden wir ein schönes Plätzchen mit wunderschöner Aussicht, wo wir unsere im "Sandsturm" abgebrochene Mittagspause nachholen können. Zum anderen finden wir hier nach unserer Rast tatsächlich den Weg nach Myrtiótissa, wenn wahrscheinlich auch nicht den in unserem Wanderführer skizzierten. Auf dem Bergrücken queren wir einen Pfad, gehen geradeaus weiter, nun wieder bergab und treffen bei einem kleinen, zu dieser Jahreszeit leider geschlossenen Restaurant auf die Straße, die hinunter zum Myrtiótissa Beach führt. Dort treffen wir zwei bekannte Gesichter, ein Pärchen, das wir am Morgen beim Frühstück im Aussichtspavillon des Bella Vista gesehen haben. Sie heißen Kai und Martin, doch das werden wir erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren.

Der Strand von Myrtiótissa ist auch in unserem Wanderführer abgebildet. Als wir nun die Stelle erreichen, von der aus dieses Foto geschossen wurde, ist er jedoch kaum wiederzuerkennen. Der anrollenden Wellen haben den schmalen sandigen Bereich nahezu komplett überspült und umtosen nun die Felsblöcke direkt unterhalb der Straße. Wir bleiben deshalb auf der Straße, die am Nordende des Strands in einen ungeteerten Fahrweg übergeht, der bald darauf am Kloster Myrtiótissa endet.

Hinter dem Kloster windet sich ein schmaler, zunächst nur leicht bergauf führender, sehr schöner Pfad durch niedrige Vegetation. Nach wenigen Kilometern wendet er sich nach rechts und führt nun, einen verlassenen kleinen Weiler passierend, immer steiler den Berg hinauf. Die großartigen Panoramen, die sich uns eröffnen, entschädigen uns für unsere Anstrengungen mehr als großzügig. Von hier können wir bis zum Pélekas Beach zurückblicken, von wo wir am Morgen aufgebrochen sind. Wir kommen an einem Sendemast vorbei, von wo aus der Weg auf die dem Landesinneren zugewandten Seite des Berges führt. Ab nun geht es wieder bergab, und bald erreichen wir wieder ein kleines Örtchen. Es ist Vatos, und hier treffen wir auch die isrealische Wandergruppe von heute Morgen wieder. Immerhin sind sie in ihrem Vorhaben, dem Corfu-Trail nordwärts zu folgen, ein gutes Stück vorangekommen, auch wenn sie ihr ursprünglich weiter im Norden liegendes Tagesetappenziel revidiert haben und nun in Vatos übernachten wollen. Uns macht dies auf unschöne Weise deutlich, dass wir noch ein ordentliches Stück Weg vor uns haben, wenn wir zu Fuß zum Bella Vista zurück wollen.

Irgendwo nett einen Kaffee zu trinken, ist in Vatos aufgrund des nicht vorhandenen Angebots nicht möglich, und so sind wir schon bald wieder auf dem Weg nach Süden. Diesmal nehmen wir die kürzere Strecke entlang der Straße, was sich allerdings keineswegs, wie von mir befürchtet, als Nachteil erweist, da das enge Sträßchen zwischen Vatos und Pélekas wenig befahren ist. Zudem eröffnet uns dieser dem Landesinneren zugewandte Wegabschnitt ganz andere, nicht minder schöne Perspektiven auf die Insel. Nach einigen Kilometern erreichen wir die uns schon bekannte Stelle, wo die Straße zum Glifada Beach abzweigt. Nun befinden wir uns also wieder auf dem Corfu-Trail, der uns auf dem selben Weg nach Pélekas hineinführt, auf dem wir es am Morgen verlassen haben.

Am nördlichen Ortseingang ist nach rechts ein Weg zum Pélekas Beach ausgeschildert, den wir noch nicht kennen und dem wir jetzt den Vorzug vor der uns bekannten Straße geben. Auch von hier aus sind die Ausblicke auf das Meer und die Küstenlinie berauschend. Wir gelangen am nördlichen Ende des Pélekas Beach an den Strand, testen zunächst mit den Füßen die Wassertemperatur, und lassen uns ungeachtet des wenig erbaulichen Resultats dazu hinreißen, unsere Badesachen anzuziehen und wenigstens für ein paar Minuten in das kühle Nass zu steigen. Unsere kühne Tat erregt die Aufmerksamkeit eines Golden Retrievers, der sich zu uns gesellt, als wir wieder in unsere Klamotten steigen und uns in der nächsten Viertelstunde nicht mehr von der Seite weicht. Erst als wir ein paar hundert Meter barfuß den Strand entlang gegangen sind und uns wegen der zunehmenden Zahl spitzer Kleinstgegenstände im Sand hinsetzen, um uns auch Socken und Schuhe wieder anzuziehen, nutzt der Hund die Gelegenheit zu einem kleinen Spielchen. Das besteht daraus, sich einen von Kordulas Wandersocken zu schnappen und dann in südlicher Richtung davon zu rennen. Eine Weile können wir ihm noch folgen, dann verlieren wir ihn hinter einem Felsen aus den Augen. Den Socken geben wir schon verloren, doch als wir am südlichen Ende des Strands an einer kleine Taverne namens Maria's Place vorbeikommen, sehen wir ihn dort vollgesabbert auf der Terasse liegen.

Zu unserem Hotel ist es nun nicht mehr weit. Dort allerdings erwartet uns eine weitere unschöne Überraschung. Der Zimmerschlüssel, den ich am Morgen in der nicht verschlossenen Innentache meiner Regenjacke verstaut hatte, ist verschwunden. Wegen des schönen Wetters hatte ich die Jacke tagsüber die meise Zeit in einem Trageriemen des Rucksacks hängen und dabei nicht mehr an den Schlüssel gedacht, der uns unterwegs verloren gegangen sein muss, so dass ich vergeblich sämtliche Taschen und Nischen meines Rucksacks von innen nach außen kehre. Die Sache ist mir schrecklich peinlich, doch Sofias Papa, der hinzukommt, gibt uns bereitwillig und ohne großes Aufhebens einen Ersatzschlüssel.

Zum Abendessen im Aussichtspavillon bietet uns Sofia eine korfiotische Spezialität an, und wir schlagen zu. Es ist ein Gericht aus Makkaroni und einer mit Kräutern gewürzten Fleischsoße, deren Namen ich allerdings keine Minute, nachdem Sofia ihn uns genannt hat, schon wieder vergessen habe. Dazu trinken wir Wein, später Ouzo und einen weiteren Wein auf dem Balkon, wo wir wie am Abend zuvor den Tag mit ein paar Kniffel-Partien ausklingen lassen.

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