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Wanderung Ágios Górdis


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Di, 18. April 2006]

Nach vier Tagen mit Auto müssen wir heute erstmals wieder unmotorisiert zurechtkommen. Wir nehmen uns lose vor, noch einmal nach Sinarádes zu wandern. Unsere Pläne geraten ins Wanken, als ich nach dem Frühstück mehr der Form halber Frage, ob ich die Hotelrechnung mit meiner Kreditkarte bezahlen kann. Die Antwort steht für mich eigentlich schon fest, da an der Eingangstür des Hotels die Zeichen der einschlägigen Kreditunternehmen prangen. Falsch gedacht. Sophia eröffnet uns, dass sie Bargeld bevorzugt, weil es mit dem Lesegerät ihres Bruders irgendwelche Schwierigkeiten gibt. Dass unsere Bargeld-Reserven nicht reichen werden, können wir uns an fünf Fingern abzählen. Wir überlegen, von Kais und Martins Angebot Gebrauch zu machen und in ihrem Mietwagen mit nach Kérkira zu fahren. Laut Sophia gibt es in Pélekas keinen Bankautomaten. Doch in Kérkira waren wir nun zwei Tage in Folge, so dass wir lieber bei unseren Wanderplänen bleiben würden. Als wir von Kai und Martin erfahren, dass sie am Vortag im südlich von Sinarádes gelegenen Ágios Górdis an einem Bankautomaten gewesen waren, beschließen wir unser Wanderziel entsprechend zu modifizieren. Falls uns der Weg nach Ágios Górdis zu weit wird, können wir am nächsten Tag immer noch mit dem Bus nach Kérkira fahren und einen der dortigen Automaten plündern. Wir verabschieden uns von Kai und Martin, für die der Urlaub nun zu Ende ist. Als wir uns endlich auf den Weg machen, ist es fast schon Mittag.

Wir folgen der vom Bella Vista. nach Pélekas führenden Straße. In der letzten Linkskurve, bevor der Weg auf die Hauptstraße trifft, stoßen wir auf den an dieser Stelle nicht markierten, nach Süden führenden Corfu-Trail. Der Wegabschnitt ist uns bereits von unserer Wanderung am vergangenen Donnerstag bekannt. Auf einer Anhöhe geht es durch dichte Olivenhaine mit schönen Ausblicken über das Inselinnere, ehe wir nach eins bis zwei Kilometern eine Querstraße erreichen. Rechterhand führt sie zu den zum Strand hin liegenden Hotelkomplexen, die wir am Donnerstag entlangmarschiert sind. Der an dieser Stelle ausnahmsweise gut markierte Corfu-Trail führt uns jedoch nach links in Richtung der Hauptstraße, um kurz darauf in einen Feldweg nach rechts einzubiegen. Bald gelangen wir an einen Wegabschnitt hoch über der Küste mit fantastischen Ausblicken sowohl in den Norden nach Pélekas und Myrtiótissa, als auch nach Süden, wo schließlich auch die Klippen von Aerostato in unser Blickfeld geraten. Als unser Weg eine Straße kreuzt, biegen wir rechts ab und folgen der Straße bis zur Taverne Aerostato, die wir linker Hand liegen lassen. Kurz bevor die Straße endet, spaltet sich links ein kleiner Fußweg ab. Diesem folgen wir bergab, bis wir nach einigen Kehren an den imposanten Klippen stehen.

Seit unserem Aufbruch sind etwa eineinhalb Stunden vergangen. Zeit für unsere Mittagspause. Wir klettern auf den niedrigeren der beiden Felsblöcke, ziehen unsere verschwitzten T-Shirts aus und hängen sie zum Trocknen über einen niedrigen Busch in die Sonne. Während wir die Aussicht genießen, laben wir uns an unserer mitgebrachten Wegzehrung und lesen ein paar Kapitelchen in unserer Urlaubslektüre. Es dauert eine Stunde, bis wir uns dazu aufraffen können, unseren Weg fortzusetzen.

Inzwischen ist Ágios Górdis zu nahe, als dass man es als Wanderziel aufgeben könnte. Von unserem Platz aus können wir einen breiten Weg erkennen, der sich unter uns auf halber Höhe des Hügels zu dem Örtchen schlängelt. Wir gehen ein paar Schritte bergan und entdecken eine Abzweigung, die nach unten führt. Führt sie uns auf den Weg nach Ágios Górdis? Wir wollen es probieren und folgen dem schmalen Pfad durch dichtes Gestrüpp. Ausgerechnet heute haben wir nur die Trekkingsandalen an. Mir ist ein bisschen unwohl bei der Vorstellung, eventuell eine Schlange aufzustöbern. Auf der Insel ist die Hornviper verbreitet, die bei einer Begegnung nicht unbedingt Reißaus nimmt und deren Biss durchaus gefährlich ist. Einige Dutzend Meter weiter ist der Weg für uns zu Ende. Aus dichtem Gestrüpp ist undurchdringliches Gestrüpp geworden. Wir treten den Rückzug an. Oben angekommen schlagen wir den Weg Richtung Sinarádes ein. Wir folgen zunächst den Beschilderungen des Corfu-Trail, die sich jedoch bald im Nirvana verlieren. Ein junger Griechen, den wir nach dem Verlauf des Trails fragen, erwidert nur lachend "Which Corfu-Trail do you mean?". Hier führen alle Wege nach Sinarádes. Bald stolpern wir durch die verwinkelten Gassen des Dörfchens und finden schließlich die Hauptstraße. An der Post werfen wir unsere Postkarten ein und fragen nach Briefmarken. Fehlanzeige! Einen Bankautomaten gibt es nach Auskunft des Mannes hinter dem Schalter auch nicht. Wenn wir heute noch an Bargeld kommen wollen, wird uns der Weg nach Ágios Górdis nicht erspart bleiben. Wir kaufen etwas Brot und Wasser und folgen der Straße, bis wir abermals auf die Auszeichnung des Corfu-Trails treffen. Hier scheint sie dem alleinigen Zweck zu dienen, Wanderer an dem kleinen Heimatmuseums des Dorfes vorbeizuführen. Anschließend führt der Trail auf die Durchgangsstraße nach Ágios Górdis, wo er sich abermals in Luft aufzulösen scheint.

Die zahlreichen Autos und Motorquads, die uns auf der Strecke überholen, machen den Weg nach Ágios Górdis nicht gerade zum Vergnügen. Wir gehen ein paar hundert Meter bergan, ehe sich die Straße in zahlreichen Serpentinen zum Ort hinunterschlängelt. Unten herrscht das vorösterliche Vorbereitungsfieber, das in diesen Tagen die ganze Insel erfasst zu haben scheint. Ãœberall wird gestrichen, lackiert, gehämmert, gebohrt, gesäubert. Man putzt sich heraus für die Urlaubssaison. An einer größeren, komplett in rosa gestrichenen Hotelanlage, aus der lautstarkes Leben ins Freie schallt, fragt Kordula nach dem Bankautomaten. Mit der Kreditkarte könnten wir auch hier Geld bekommen, wenn ich einen gültigen Ausweis dabei hätte. Doch der liegt bei Sophia in der Hotelrezeption. Wir folgen dem Weg bis hinunter zum Strand, ohne den Automaten zu finden. In einem Laden fragen wir noch einmal. Die Frau an hinter der Kasse, schickt uns hundert Meter zurück. Wir sind an der Bankfiliale vorbeimarschiert, ohne sie zu sehen. Weitere Pannen bleiben uns wider böser Erwartungen erspart. Der Automat ist nicht außer Betrieb, akzeptiert brav meine Karte und spuckt sogar genau die Summe aus, die wir von ihm verlangen. Erleichtert pilgern wir zum Strand und fläzen uns dort im Sand.

Mit unserer zweiten großen Pause an diesem Tag ist es spät geworden. Vor uns liegen noch etwa 10 Kilometer Rückmarsch. Als wir die Straße wieder bergauf gehen, müssen wir uns ein paar Spötteleien von den barbäuchigen Engländern gefallen lassen, die das rosarote Hotel belagern und sich über unsere Wanderstöcke lustig machen. In einer Kurve entdecken wir dann das Schild. "Sinarádes by foot - 500 m". Das muss der Weg sein, den wir von den Klippen aus gesehen haben. Unsere Vermutung bestätigt sich bald. Durch eine herrliche Vegetation, die uns genügend Aussicht über das Meer lässt, gehen wir nordwärts. Auf Höhe der Klippen wendet sich der Weg jedoch plötzlich nach links und führt hinunter ans Wasser zu einer Gruppe beeindruckender Felsblöcke, wo uns ein heftiger Wind aus dem inzwischen bleigrau gewordenen Himmel um die Ohren bläst. Sinarádes jedoch liegt in der entgegengesetzten Richtung. Wir gehen ein paar Schritte zurück und finden einen den Hang hinauf führenden Pfad. Wenn dies der Pfad ist, in dessen dichtem Gestrüpp wir uns verheddert haben, nachdem wir am frühen Nachmittag die Klippen verlassen haben, dann wird er uns keine Hilfe sein. Doch wir probieren es. Bald stehen wir am Tor zu einem eingezäunten Grundstück. Unsere Niedergeschlagenheit wächst. Müssen wir am Ende wieder bis nach Ágios Górdis zurück, um von dort wieder die Straße entlangzulaufen? Schließlich entdecken wir den Weg. Er ist mit einer blau angemalten, mit einer Socke und leeren Plastikflaschen behangenen Holzlatte markiert, auf der man das Wort "Sinarádes" mit einem Messer eingeritzt hat. Der Aufstieg ist schweißtreibend und noch immer sitzt uns die Befürchtung im Nacken, dass der Weg oberhalb von uns zugewachsen ist. Doch wir haben Glück. Unterhalb der Taverne Aerostato gelangen wir auf den asphaltierten Weg, der uns zurück zu der Stelle führt, wo der Corfu-Trail kreuzt. Von hier aus gehen wir denselben Weg zurück, den wir gekommen sind. Noch einmal machen wir eine Pause. Auf der obersten Terasse eines Olivenhains mit herrlichem Ausblick nach Norden, mit dem sich in die Berge schmiegenden Pélekas und der See darunter, die nun wie ein gewaltiger breiter Strom aussieht, der von dem auf Orkanstärke gewachsenen Wind nach Norden gepeitscht wird.

Als wir an diesem Abend bei Sophia unseren Griechischen Salat, eine Pizza speciale und das Souvlaki mit Pommes frites verputzen, rüttelt der Wind recht ordentlich an den Fenstern des Pavillons.

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