Der heutige Tag beginnt früh, und das ist durchaus beabsichtigt. Auf 4.30 Uhr haben wir unseren Wecker gestellt,
in der Hoffnung, bei einem Aufbruch im Morgengrauen ein paar Biber aufzuspüren, die es in diesem Flussabschnitt
laut unserer Tourenbeschreibung in großer Zahl geben soll. Doch geweckt werden wir schon vor 4.30 Uhr —
durch ein Geräusch, das uns schon völlig fremd geworden ist, das Prasseln von Regentropfen auf unserem Zeltdach.
Schnell krieche ich aus dem Zelt, um die Sachen, die wir am Vorabend zum Trocknen aufgehängt haben, ins Trockene
zu bringen. Als kurze Zeit später der Wecker loslegt, regnet es immer noch. Biber ade! Auf Zeltabbau und
Paddeln bei Regenwetter verspüren wir zumindest zu so früher Stunde keine Lust.
Kurz nach 7.00 Uhr dann die Überraschung. Die Sonne scheint vom Himmel herab, als ob nichts gewesen wäre. Wir
stehen auf. Kurz nach 9.00 Uhr sind wir wieder auf dem Fluss und befreien erst einmal Schuhe, Füße und den Fußboden
des Kanus von dem mitgeschleppten Schlamm — nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Der Fluss ist fast wie
ein Teich mit kaum wahrnehmbarer Eigenfließbewegung. Nach gut zwei Stunden drängt es uns zu einer ersten Pause.
An einer
Kuhweide
steigen wir aus. Prompt kommt ein gutes halbes Dutzend Kühe angetrabt, um neugierig unser Boot zu beschnüffeln
und unsere Rucksäcke darin zu besabbern. Als wir Gewissheit darüber haben, dass wir vor den aufdringlichen Viechern
auch unter dem Baum, unter dem wir uns niederlassen wollen, keine Ruhe haben werden, ziehen wir weiter, um unsere
Bananen und Müsliriegel zwei Flussbiegungen weiter verdrücken zu können. Danach paddeln wir durch bis zum nächsten
Landtransport, der es diesmal wieder in sich hat.
Wir befinden uns in
Adolfsfors.
Der Weg hinauf zur Straße ist mörderisch steil, und danach geht es erst einmal über eine kleine Anhöhe. Nach 1,2 km
erreichen wir einen schicken kleinen
Hafen,
wo wir wieder einbooten. Kordula übernimmt den unschöneren Part der Arbeit und stellt sich in das trübe Wasser, um
Ronjas Bug sanft auf die Oberfläche setzen zu können. Nun darf ich zum ersten Mal den Steuermann spielen, sehr zum Unwillen
von Kordula, die sich vorne als Tempomacherin nicht ganz so heimisch fühlt. Doch da nun ohnehin bald Kordu-Fütterungszeit
ist, dauert diese Episode nicht lange an. An einem von kleinen, zudringlichen, sehr schmerzhaft zubeißenden Ameisen überfüllten
Platz, kurz vor Erreichen des Sees Hugn,
machen wir Halt und verputzen die mit Spannung erwarteten gefüllten Dosenpaprika von Erasco mit
Zwiebel-Speck-Kartoffelpüree. Ein bisschen Dösen, danach noch ein Tässchen löslichen Cappuccinos, dann geht es
hinaus in die Weiten des Sees.
Nach zwei Tagen eingeengter Flusslandschaft ist die gewaltige Wasserfläche mit ihren Wellen fast schon wieder
ungewohnt. Während die weitere Tour nun eigentlich in Richtung Süden führt, entscheiden wir uns für ein paar
Extra-Kilometer und klappern das Seeufer in Richtung Norden ab, um an der Ostseite wieder südwärts zu ziehen
und gleichzeitig Ausschau nach einem schönen Lagerplatz zu halten. Die Entscheidung fällt uns diesmal leicht.
Eine
kleine Bucht mit Sandstrand,
und einer Reihe vorgelagerter, flach ins Wasser abfallender Felsen lädt uns zum Bleiben ein. Das Zelt müssen wir auf niedrigem
Gestrüpp aufstellen, doch was macht das schon aus angesichts dieser herrlichen Bade- und Abendbrot-Terassen direkt am
Wasser in die Felsen geformt. Wir genießen das gegenüber dem schlammigen Flusswasser viel klarere Seewasser für
eine gründliche Körperwäsche und sitzen bis nach Sonnenuntergang, um im Restlicht des Tages und im matten Schein
des tiefstehenden, sich im Wasser spiegelnden Mondes zu Abend zu essen, zu lesen, zu schreiben und dem Schreien der
Schneegänse zu lauschen, das über die Wasser in die hereinbrechende Nacht dringt.