Vom Brötchenholen bringe ich nicht nur Brötchen, sondern auch ein paar Croissants mit, die wir uns zusammen
mit echtem Bohnenkaffee aus der Bodum-Kanne schmecken lassen. Anschließend packen wir unsere Sachen für den
ersten Ausflug mit Lisa in den Spreewald. Nach einigem Hin und Her haben wir uns entschlossen, die Kleine Leipe
Tour in Angriff zu nehmen.
Das Einsetzen des Bootes an dem steilen Steg klappt ganz gut. Dann sind wir auf dem Wasser, ein herrliches
Gefühl. Der an dem Campingplatz vorbei fließende, nicht sehr breite Kanal vermittelt einem das Gefühl,
eine ordentliche Geschwindigkeit drauf zu haben. Wir nehmen Kurs auf Lehde, paddeln unter einer Brücke
hindurch und befinden uns nach wenigen Dutzend Metern bereits am ersten Wehr. Eine kleine Abzweigung nach links
führt uns zu einer Bootsrolle, die das Umsetzen des Faltbootes auf die höhere Staustufe zum Kinderspiel macht.
An der nächsten Kreuzung halten wir uns — die Markierung für die Kleine Leipe Tour missachtend —
erst einmal rechts, weil ein Wegweiser Lehde anzeigt, was von meinem Wasserwanderatlas bestätigt wird.
Auf dem nun breiteren Kanal begegnen uns die ersten Touristen-Kähne. Kurz vor Lehde treffen wir abermals
auf die Wegmarkierung, die hier von Lehde weg führt. Verwirrt entscheiden wir uns für einen Kanal, der uns durch das
idyllische Dorf führt, vorbei an wunderschönen, alten Häuschen mit zum Wasser hin angebrachten Briefkästen und Bushaltestellen-Schildern, die hier
die Zustiegsstellen für die Linien-Kähne kennzeichnen. Anhand unserer Karte im Wasserwanderatlas können wir
allenfalls erahnen in welchem Strang des Gewusels an blauen Linien wir uns gerade befinden.
An einer Kreuzung im Dorf kommt dann richtig Stress auf. Touristen-Kahn von vorn, Touristen-Kahn von rechts hinten. Wir werden in die
Zange genommen und können uns noch einen dämlichen "Für die braucht man nicht bremsen"-Spruch von einem der Spree-Kahn-Kapitäne anhören.
Als wir dann geradeaus weiter paddeln, geraten wir hinter der nächsten Kreuzung in eine nach und nach enger
werdende Sackgasse, aus der wir uns schließlich rückwärts wieder hinausmanövrieren müssen. Nun endgültig nicht mehr
wissend, wo wir eigentlich hinsteuern, paddeln wir weiter. Irgendwann verrät uns die Beschilderung am Wegesrand,
dass wir den Lehder Graben erreicht haben. Die Zeit, die wir benötigt haben, um das kurze Stück nach Lehde und durch Lehde
hindurch zurückzulegen, verheisst wenig Gutes. Doch in der Folgezeit kommen wir einiges zügiger voran. Als
wir die Waldgaststätte Wotschowska — das Mekka der Spreewald-Kahn-Touristen — erreichen, nehmen wir
die Existenz des kleinen Paddelboot-Parkplatzes hinter dem Biergarten zum Anlass für eine Pause, in der wir uns
ein wenig die Beine vertreten.
Viel ist hier nicht los. Das Wochenende ist vorbei, und die Hauptsaison ist wohl noch nicht so richtig angelaufen.
Für das Mittagessen ist es uns noch ein bisschen zu früh, und wir beschließen, uns damit erst zu belohnen, wenn wir es
bis zur Polenzschänke geschafft haben.
Hinter der Wotschofska werden die Kanäle deutlich einsamer. Dafür finden wir uns nun endlich einigermaßen mit
unserer Karte zurecht. Durch ursprünglich wirkende Wälder dringen wir immer tiefer in den
Oberspreewald ein. Das Paddeln flussaufwärts gegen die praktisch unmerkliche Strömung erfordert von uns
keinerlei Anstrengung. Über den Burg-Lübbener-Kanal, von dem aus wir über ein nach links abzweigendes Fließ
in das Große Fließ gelangen, erreichen wir, nachdem wir die erste richtige Schleuse an diesem Tag zu
überwinden haben, dann in der Nachmittagszeit die
Polenzschänke. An dem kleinen Anleger für Paddelboote liegen bereits zwei Klepper-Faltboote. Erst später,
als wir deren Besitzer sehen, erkennen wir, dass es sich dabei um unsere Zeltnachbarn handelt.
Auf dem mit Bäumen bestandenen Platz vor der Schänke genießen wir die hervorragende und auch hier
überraschend preiswerte Spreewälder Küche.
Kordulas Fährmannsstulle — ein Graubrot mit Senf, Meerrettich, Gurken und Bratenscheiben —
stellt einen kulinarischen Höhepunkt in diesem Urlaub dar. Mein Sauerkraut mit Schweinebraten ist aber
auch nicht schlecht.
Schließlich setzen wir unsere Tour durch den Leiper Graben in Richtung Leipe fort. Unsere Zeltnachbarn
brechen mehr oder weniger gleichzeitig mit uns auf, brauchen aber länger, bis sie sich auf ihre insgesamt drei Boote
— ein Kanadier ist auch noch dabei — verteilt haben. Wir haben sie bald aus den Augen verloren.
Hinter einer Kreuzung kurz vor Leipe öffnet sich die Landschaft. Zum ersten Mal Felder anstelle von Bäumen entlang der Uferlinie.
Dann paddeln wir schon durch den Ort. Solange bis wir an eine Stelle kommen, wo man das Fließ zugeschüttet hat.
Dahinter verläuft eine Straße. Uns bleibt nur der Weg zurück oder in den sehr schmalen nach rechts abgehenden
Kanal unter einer Brücke hindurch. Während wir unschlüssig die Karte studieren, holen uns unsere Zeltnachbarn
ein. Sie kommen nach einigem Beratschlagen zu dem Schluss, dass man rechts weiterkommen müsste. Nach unserem
Sackgassen-Abenteuer vom Vormittag in Lehde sind wir etwas skeptisch, paddeln aber schließlich doch hinterher, da
der Weg zurück zur Kreuzung auf jeden Fall mit Zeitverlust verbunden wäre. Schließlich gelangen wir aus Leipe hinaus.
Eine weitere Kreuzung und wir gelangen auf die Hauptspree. Der Weg, den wir genommen haben, war also genau der,
den wir laut Karte hätten nehmen müssen. Gegenüber einer auf unserem Weg liegenden Schleuse lockt noch eine einladende
Gaststätte, doch der Weg ist noch weit und der Himmel über uns nicht mehr ganz so ungetrübt wie noch am Morgen.
Wir lassen uns schleusen und setzen unseren Weg auf dem nun recht breiten Fließ fort. An der nächsten Abzweigung
lassen wir uns ein Weilchen treiben, während wir unsere Karte studieren. Unsere Zeltnachbarn ziehen uns dabei
davon.
Kurz vor Lehde steuern wir — der Markierung folgend — nach links in den kleinen Wiesenfließ, obgleich
man auch den Weg geradeaus nehmen könnte. An einer Brücke entdecken wir eine schöne Stelle zum Anlanden.
Daneben befinden sich Tisch und Bänke — Grund genug für eine kleine Pause. Von einer Schautafel
lassen wir uns über die Fische der hiesigen Gewässer belehren. Besonders der Wels, der laut diesem Text über
einen Meter lang werden kann und sich in dieser Größe angeblich dann auch schon mal einen Vogel, dem er habhaft
werden kann, reinzieht, beeindruckt uns. Eindrucksvoller noch finden wir das Grummeln über uns, das uns
den Anmarsch eines Gewitters kund tut. Deshalb hüpfen wir eiligst ins Boot zurück und mobilisieren unsere
letzten Kraftreserven. Bis Lübbenau ist es noch ein ordentliches Stück — doch dann geht es doch sehr viel
schneller als wir denken. Wir erreichen den Südumfluter und befinden uns nicht lange danach wieder an der
Bootsrolle von heute morgen. Der Regen lässt sich zum Glück noch etwas Zeit, so dass wir es, ohne nass zu werden,
bis zum Campingplatz schaffen.
Als der Regen später dann doch noch ein bescheidenes Stell-dich-ein gibt, spanne ich unsere Regenschutzplane,
das Moonshadow über unserem kleinen Heim auf. Wegen des nicht mehr ganz so beständigen Wetters und wegen
unserer müden Knochen, verzichten wir an diesem Abend auf einen Ausflug in die Stadt und machen es uns
statt dessen kniffelnd vor unserem Zelt gemütlich.