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Spree-Tour


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Sa, 08. Juli 2006]

21 km trennen uns noch von unserem Ziel, ein ordentliches Stück also, weswegen wir nicht allzu spät aus unseren Schlafsäcken kriechen. Langsam kommt auch der Zeitpunkt, wo wir das ganze hinter uns bringen wollen. Wir sind satt, und die Höhepunkte dieser Tour liegen inzwischen hinter uns.

Als unsere Nachbarn aus ihrem Zelt krabbeln, packen wir bereits unsere letzten Sachen zusammen. Wir verabschieden uns, dann sind wir wieder auf dem Wasser. Das Wetter wartet nach den Regenschauern von gestern wieder mit Sonne auf. Wir hauen ordentlich rein, und haben das Gefühl gut voran zu kommen. Zwischendurch müssen wir eine Umleitung entlang paddeln — einen Altarm der Müggelspree, da der direkte Weg scheinbar versandet ist. Eine Brücke, die auf unserer Karte nicht eingezeichnet ist, verleitet uns dann zu der irrtümlichen Annahme bereits in Neu Hartmannsdorf zu sein. Für eine ganze Weile paddeln wir desorientiert weiter, weil an den Punkten auf der Karte, die wir nun erwarten, nicht vorbeikommen. Als wir dann die richtige Brücke von Neu Hartmannsdorf passieren — ein am Ufer stehender Mann gibt uns freundlich Auskunft über unseren Aufenthaltsort — ist unsere Frustration groß. Gerade einmal 6 km haben wir geschafft. Dabei haben wir doch geackert wie die Blöden. Desillusioniert machen wir weiter. Bald holen wir ein gemächlich dahinziehendes Kanu ein, in dem zwei Berliner paddeln. Genauer gesagt, paddelt nur einer, während ihm der andere gegenübersitzt, ein Bierchen trinkt und sich mit ihm unterhält. Die beiden wollen gemütlich nach Neu-Zittau kommen, und sich dort abholen lassen. Wir drosseln unser Tempo für einen kurzen Plausch und erfahren von ihnen, dass am Vortag ein kräftiges Unwetter über Berlin gewütet hat. Dann setzen wir uns von ihnen ab.

Als die Autobahnbrücke der A10 in Hörweite gerät, gönnen wir uns an einer kleinen Badestelle eine Essenspause. Lange bleiben wir nicht allein. Drei Jungs tauchen auf, unterhalten sich ein Weilchen und verziehen sich dann mit ihrem American Football ins Wasser. Irgendwann beginnt es wieder zu regnen. Das Aufbruchsignal. Wir kehren ins Boot zurück und zupfen unsere Spritzdecke zurecht. Einer der Jungs schiebt uns an, und bald schon liegt auch diese Stelle hinter uns. Der Regen hört schon bald wieder auf. Hinter der Autobahnbrücke kommen wir an der Jägerbude vorbei. Zu unserer Ãœberraschung befindet sich hier ein richtiger Campingplatz, der weder in unserem Kanuführer erwähnt, noch in der Gewässerkarte eingezeichnet ist. Lediglich auf der Karte an dem Schild beim Abzweig in die Müggelspree war hier eine Zeltmöglichkeit vermerkt. Doch das kann unser Ziel nicht mehr ins Wanken bringen. Wir wollen noch heute Berliner Luft schnuppern. In Neu-Zittau finden wir die auf unserer Karte eingezeichnete Gaststätte direkt an der Spree liegend, mit Möglichkeit, das Boot unten am Ufer festzumachen und ein paar Schritte in den Biergarten hinaufzulaufen — eine Gelegenheit, die wir nicht auslassen, wenn auch nur, um etwas zu trinken und die Toiletten aufzusuchen.

Das letzte Stück der Strecke bis zum Dameritz-See gibt einem das Gefühl auf dem langgestreckten Teich eines Schlossparks zu paddeln. Anstelle von Schilf, hohe Bäume und Spazierwege entlang der Uferlinie. Zeitweise begleitet uns eine gut befahrene Straße auf der rechten Seite. Später sehen wir wunderschön gelegene Wochenend-und Wohnhäuser, kurz vor dem Dameritz-See sogar eine Ruderheim mit Übernachtungsmöglichkeit. Wir ahnen noch nict, wie sehr wir uns später an diesen Ort zurücksehnen werden. Dann ist es soweit. Hinter einer Kurve kommen die letzten Meter Spree in Sicht, bevor sich der Fluss im Dameritz-See verliert. Wir haben es geschafft.

Gemächlich paddeln wir über den See und gleiten in den kurzen Kanal hinein, der uns schließlich in den benachbarten Flaken-See führt. Einladend und vielversprechend sieht es hier aus mit dem vielen Grün und den bewaldeten Hängen im Hintergrund. Wir halten uns am linken Ufer. Hier muss gleich der Campingplatz Flakensee-West kommen, der mit seiner geringen Entfernung zur S-Bahn-Haltestelle Erkner ein idealer Ausgangspunkt für die Rückholaktion unserer Autos darstellt. An einem Badestrand, der zum Campingplatz zu gehören scheint steigen wir aus und sehen uns um. Wir befinden uns in einem sandigen, finsteren Waldstück. Zwischen den Bäumen hängen schmutzige Plastikplanen, darunter Kolonien von Wohnwagen. Das ganze erinnert so ein bisschen an die staatlichen Campingplätze in Kanada, nur dass alles sehr viel schmuddeliger aussieht. Rezeption und sanitäre Einrichtungen befinden sich in Bauwagen und Containern. Nachdem wir einen von ihnen von innen gesehen haben, beschließen wir, uns erst einmal den Campingplatz Schwarzer Stubben auf der gegenüberliegenden Seeseite anzusehen — auch wenn dieser viel weiter vom S-Bahnhof entfernt liegt. Kurze Zeit später sind wir wieder auf dem See.

Die Überfahrt dauert nicht lange. Von weitem sieht der Platz freundlich aus. Eine große einladende Wiese mit Strand, davor dümpeln große, weiße Motoryachten in den sanft schaukelnden Wellen. Von nahem relativiert sich der Eindruck bald. Die Yachten scheinen mit dem Platz nichts am Hut zu haben. Strand und Wiese sind mit Zigarettenkippen, Hundekot und Utensilien ähnlichen Kalibers übersät. Die Leute, die hier baden, scheinen von dem Schlag zu sein, dem all das nicht viel ausmacht. Die Rezeption, die wir ansteuern, entpuppt sich als Kneipe. Die tatsächliche Rezeption befindet sich oberhalb des eingezäunten Campingareals in einem flachen Holzbungalow. Die offizielle Öffnungszeit bis 18.00 Uhr ist schon seit fast einer Stunde vorbei, als wir auf die Klingel drücken. Der Mann, der uns öffnet, macht den Eindruck, dass er schon sehr lange hier wohnt, nicht nur im Sommer, wenn Gäste da sind. Das Anmeldeformular, das er vor mich hinlegt, ist so oft von irgendwelchen Kopien kopiert worden, dass man kaum erkennen kann, wohin man Name und Adresse zu schreiben hat. Die Anzahl der Übernachtungen lassen wir offen. Unsere Frage nach den Duschen wird dahingehend beantwortet, dass der Schlüssel für die einzige Dusche noch nicht zurück sei, wir aber gernse seine Dusche benutzen dürften. Spätestens zu diesem Zeipunkt überschreitet Kordula die Grenze zur Depressivität. Keine Frage, auch ich habe mir den Abschluss unserer Tour triumphaler und würdiger vorgestellt. Nun hocken wir, eingepfercht zwischen Gartenzwerg und Jägerzäunchen huldigenden Dauercampern, von denen mich der eine rechts neben unserem Platz irgendwie an Atze Schröder erinnert, auf einem kleinen Stück Rasen, von dem wir erst einmal die Glasscherben aufsammeln können, bevor wir unser bockendes Boot über den sandigen Boden hierher zerren und unser Zelt aufstellen. Bei den Toiletten erfahren wir von einer Frau, dass wir eigentlich einen Schlüssel für den Haupteingang und die Toiletten hätten bekommen sollen. Den holen wir uns an der Rezeption ab, wo gerade ein Familienpapi sein Schicksal besiegelt, als er einen Platz für sein Wohnmobil bis Donnerstag ordert. Der Duschschlüssel ist auch nach unserer zweiten Anfrage noch nicht wieder aufgetaucht, aber nachdem wir die Toiletten inzwischen von innen kennengelernt haben, ist uns an einem Kennenlernen der Dusche schon gar nicht mehr so viel gelegen. Auf das abermalige Angebot des Campingplatzbetreibers, bei ihm zu duschen, gehen wir nicht weiter ein. Das Wasser im Flaken-See ist schließlich auch nass, und so nehmen wir dort ein Bad.

Als wir uns an diesem Abend auf den Weg machen, um uns ein nettes Restaurant zu suchen, glaube ich wahrscheinlich selbst nicht so richtig an einen Erfolg. Doch allein schon Kordula zuliebe bemühe ich mich, Optimismus auszustrahlen. Und siehe da, das hilft. Kaum sind wir durch ein kurzes Waldstück hindurch der Atmosphäre des Campingplatzes entronnen, kommen wir durch ein nettes Wohnviertel, dessen Häuser gediegenen Wohlstand ausstrahlen. Ein Restaurant mag ich mir dazwischen zwar auch nicht vorstellen, doch als die Straße bergab in Richtung Wolterschleuse führt, strahlt uns unmissverständlich das von innen beleuchtete Schild einer Biersorte entgegen. Ein Restaurant! Kordula kann wieder lachen. Der zugehörige Biergarten von einer Geburtstagsgesellschaft bevölkert, doch die freundliche Bedienung, deckt noch einen Extra-Tisch draußen für uns ein. Die Atmosphäre in der lauen Sommerabendluft ist herrlich. Urlaub vom Urlaub auf dem nahen Campingplatz! Wir suchen uns ein Salat- und ein Nudelgericht aus der Speisekarte aus, in der die Gerichte sehr prosaisch beschrieben werden. Die Wirklichkeit hält dann leider nicht ganz, was die Karte verspricht. Scheinbar hat die Geburtstagsgesellschaft den Koch zu sehr in Anspruch genommen, als dass noch allzu viele Kochkünste für uns übrig blieben. Wir lassen uns den Abend dennoch nicht verderben, genießen endlich das Gefühl, es geschafft zu haben, angekommen zu sein, und lauschen in regelmäßigen Abständen dem Torjubel, der von der anderen Seite der Schleuse zu uns herüberbrandet, wenn Deutschland im Kampf um den dritten Platz der Fußball-WM ein Tor gegen Portugal schießt.

Bevor wir in der Dunkelheit zurückstapfen, inspizieren wir den Busfahrplan an der Schleuse. Er sagt uns, dass wir morgen um 8.40 Uhr an dieser Stelle stehen werden, um den ersten Bus zum S-Bahnhof zu erwischen. Frohen Mutes stapfen wir zurück zum Campingplatz, und bekommen noch mit, wie die Polizei anrückt, um zwischen ein paar am Strand krakeelenden Jungendlichen für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

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