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Paddeltour um Lübbenau


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Mi, 28. Juni 2006]

Der Tag beginnt mit einer traurigen Meldung: Bruno, der Braunbär, der im Grenzgebiet zwischen Bayern und Österreich wochenlamg für Aufsehen gesorgt hat, ist tot. Ich höre die Nachricht bereits auf der Toilette, wo man über unsichtbare Lautsprecher das Programm eines Brandenburger Lokalradios verfolgen kann. Auch die Bild-Zeitung, die ich nebst Brötchen und in der Vitrine ausliegendem Kuchen, aus dem kleinen Campingladen gegenüber der Rezeption abschleppe, hat Brunos Ableben zur Schlagzeile auf der ersten Seite gemacht. Auf den 14 Jahre alten Campingklappstühlen, die ich vor dem Urlaub im Keller ausgegraben habe, verzehren wir unser Frühstück und planen den Tag, der dem gestrigen Gewitter zum Trotz, uneingeschränkten Sonnenschein verspricht. Die Kleine Leipe Tour gestern war eigentlich so groß, dass wir die Große Leipe Tour heute nicht unbedingt kennenlernen müssen &mdash, zumal der Verlauf beider Touren in weiten Teilen identisch ist. Lieber lassen wir es heute etwas ruhiger angehen.

Wir tragen unser Boot zum Wasser und machen uns wieder auf den Weg nach Lehde, wählen diesmal jedoch einen anderen Weg, den wir gestern abend auf unserer Rückfahrt nach Lübbenau entdeckt haben. Er führt uns an einer Art Paddel-In vorbei &mdash, einem Steg, auf dem ein kleiner Laden aufgebaut ist, wo man neben Spreewald-Souvenirs auch Ess- und Trinkbares erstehen kann. Wir schlagen zu und lassen uns einen kleinen Plastikeimer mit gemischten Spreewaldgurken vom Fass füllen.

Aufgrund unserer bescheidenen Tagespläne mit viel Zeit ausgestattet, lassen wir uns kurz vor Lehde von der Markierung führen, der wir gestern nicht getraut haben. Der Kanal führt uns an einem weiteren Palldel-In vorbei quasi durch die Hintertür nach Lehde. Allmählich durchschauen wir das hiesige Gewusel an Wassersträßchen etwas besser. Die eine oder ander Ecke erkennen wir von gestern wieder. Gegenüber des Freilichtmuseums finden wir einen Parkplatz für Paddelboote, wo wir Lisa festmachen können. An den Tischen und Bänken nebenan nehmen wir Platz, nehmen unser zweites Frühstück mit frischen Spreewaldgurken ein und schauen dem Treiben auf den Kanälen zu. Ein von einer Postbotin gesteuerter Post-Kahn zieht an uns vorbei. Die Polizeistreife, die sich kurze Zeit später blicken lässt, benutzt jedoch ein kleines Motorboot.

Nachdem wir uns gestärkt haben, machen wir uns zum Freilichtmuseum auf. Eine Handvoll liebevoll restaurierter Häuser gibt Aufschluss über die Lebensumstände von anno dazumals. Ein Angestellter gibt uns Auskünfte zu Mobiliar und Gegenständen im ersten Haus und beklagt die Klauwut der Besucher. In einer anderen Hütte lässt sich Kordula in die Handhabung eines dort aufgestellten Spinnrads einweihen. Sie hat das Thema Spinnen vor wenigen Wochen mit ihrer Klasse im Schulunterricht und an einem Projekttag durchgenommen. Weitere Hütten geben Einblicke in die Arbeit des Spreewald-Kahnbaus, sowie des Anbaus und der Herstellung von Meerrettich. Auch ein kleiner Laden mit Souvenirs, Kunsthandwerk und Gurken fehlt natürlich nicht.

Als wir wieder zu unserem Boot zurückkehren, ist dieses fast zugeparkt. In der Zwischenzeit ist eine größere Gruppe von Paddlern mit Leihbooten hier gelandet. Mit etwas Mühe wenden wir das Faltboot und stürzen uns zurück in das Lehder Wasserstraßengewirr. Auf der Karte suchen wir uns eine Nebenroute aus, die uns nördlich aus Lehde heraus zum Bürgerfließ bringen soll. Das geht nicht ganz ohne Komplikationen ab. Wo immer sich der Kanal verzweigt, geht das Rätselraten los — rechts oder links? Wir orientieren uns an der Breite der jeweiligen Kanäle. An einer Stelle geht das schließlich schief, und wir landen vor einem schmalen Wehr, das man erstens nicht umtragen kann und das zweitens laut unserer Karte nicht zu unserer Route gehört. Also paddeln wir ein Stück zurück und wählen die schmalere Variante. Diese führt uns auf einen gewundenen Wasserlauf, der zwischen mit großen Heuhaufen bestandenen Wiesen durch einen herrlichen Streckenabschnitt führt. Dass es der richtige Weg ist, wissen wir erst, als wir auf einen breiteren Kanal stoßen und die Schleuse zum Bürgerfließ erreichen. Zehn Jahre zuvor haben sich an diesen Schleusen Jugendliche ihr Taschengeld aufgebessert. Heute machen das allem Anschein nach Hartz-IV-Empfänger.

Hinter der Schleuse paddeln wir gemächlich weiter. An einer zweiten Schleuse werden wir zu den gegenüber liegenden, auch hier gut zu bewältigenden Bootsrollen umdirigiert. Wegen des niedrigen Wasserstands werden hier nur noch Kähne geschleust. Kurz vor Lübbenau erregt ein Schild in einen nach links abzweigenden Kanal meine Aufmerksamkeit. "Klein Japan" ist darauf zu lesen. Da ich als Steuermann in der Position des Stärkeren bin, paddeln wir dort hinein &mdash, was bei Kordula nicht eben Begeisterungsstürme auslöst. Die kommen auch nicht, als der Kanal schließlich enger und enger wird, bis wir schließlich in einem nach Tod und Verwesung stinkenden Morast aufsitzen, ohne zuvor herausgefunden zu haben, was an Klein Japan denn nun so japanisch oder sonst irgendwie besonders ist. Nachdem wir eingesehen haben, dass hier sämtliche Wendemanöver zum Scheitern verurteilt sind, paddeln wir schließlich in mühevoller Kleinarbeit rückwärts wieder aus dem Kanal hinaus.

Die bald darauf folgende Abzweigung zum Campingplatz ignorieren wir zunächst und setzen unseren Weg geradeaus fort. Bald gelangen wir mitten zwischen die dicht am Wasser gebauten Häuser der Lübbenauer Innenstadt. Hier parkt Kahn an Kahn. Parkmöglichkeiten für uns sind so rar wie für einen Autofahrer am Samstagmorgen in der Kölner Innenstadt. Dazu ist es recht eng, so dass wir bei Gegenverkehr schon mal etwas ins Schwitzen kommen.

An einer T-Kreuzung entscheiden wir uns für die linke, weiter stadteinwärts führende Variante, den Stadtgraben. Wieder wird es sehr eng und sehr flach. Hier parken auch keine Kähne mehr. Wir drohen aufzusetzen. Da wir nicht sicher sein können, irgendwann zur Umkehr gezwungen zu sein, und wir wenig Lust auf weitere hilflose und anstrengende Rückwärtspaddel-Experimente verspüren, geben wir schließlich auf und paddeln denselben zugeparkten Weg zurück, den wir gekommen sind. Am Abzweig zum Alten Hafen machen wir ebenfalls noch einen Abstecher, nur um festzustellen, dass für Paddler wie uns an dem nett gelegenen Biergarten, wo wir zwei Abende zuvor eingekehrt sind, auch keine Parkplätze vorgesehen sind. Als wir noch ein Stück weiter paddeln, gelangen wir an das Wehr an der Straße, die zum Schloss führt. Auch hier müssen wir wenden. Also paddeln wir zurück bis zu dem zu unserem Campingplatz führenden Fließ. An der Abzweigung hüpfen ein paar Jugendliche todesmutig von der über das Fließ führenden Brücke in die Spree.

Wenig später sind wir wieder an unserem Campingplatz. Von hier aus starten wir noch einmal in die Stadt &mdash, diesmal zu Fuß, so dass wir auch keine Parkplatzprobleme haben, als wir den Biergarten am Alten Hafen ansteuern. Während des Essens unterhalten wir uns ein wenig mit der Kellnerin über die schwierige Arbeitsmarktsituation der Region und darüber, wo man am Freitag am besten Fußball sehen kann. Außerdem trinke ich die erste (und wahrscheinlich auch letzte) Berliner Weiße meines Lebens. Den Rest des Abends bestimmen wieder einmal die flackernden Kerzenlichter vor unserem Zelt und das Klappern der Würfel in unserem Kniffelbecher.

 

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