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Spree-Tour


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[So, 02. Juli 2006]

Der Wecker holt uns an diesem Morgen bereits um 5.00 Uhr früh aus dem Schlaf. Dennoch ist es im Prinzip schon hell. Der Sommer lässt den Tag früh anfangen. Meine Nase ist dicht — die Wirkung des ungemähten Grases um uns herum. Bis wir das Frühstück und den Zeltabbau hinter uns haben, geht weitere Zeit ins Land. Die Zweifel, ob sich das frühe Aufstehen wirklich gelohnt hat, werden größer. Doch dies ändert sich, bald nachdem wir gegen 7.00 Uhr mit Sack und Pack in unser Boot gestiegen sind.

Wir verlassen die Richtung Schlepzig führende Hauptspree und biegen in den Puhlstrom ab. Er führt tief hinein in die vom Tourismus weitgehend unberührte Welt des Unterspreewaldes — eine faszinierende Landschaft aus Wasser und dschungelartig anmutender Natur. Zwischen dem dichten Baumbestand ist die frühmorgendliche Atmosphäre noch präsent. Völlig einsam gleiten wir über eine reglose Spiegelfläche aus Wasser. Wir sichten einen Biber und einen neonfarben schimmernden Eisvogel, der unserem Boot eine ganze Zeitlang von Baum zu Baum vorausfliegt. Immer wieder schrecken wir Rehe auf, die am Uferrand stehen und Wasser trinken, als wir gerade lautlos um eine Flussbiegung herum in Sichtweite kommen. Doch nicht alle Tiere bereiten uns ungetrübte Freude. Als wir unter einem tiefhängenden Ast hindurchpaddeln, springt uns eine Spinne ins Boot — just in dem Moment, als sich Kordula darunter befindet, die daraufhin fast auf den Ast hinauf springt.

Nach einiger Zeit bekommen wir wieder Schwierigkeiten mit der Orientierung. Nicht jeder Flussarm scheint in unserer Karte eingezeichnet zu sein. Und die anfänglich bei Abzweiungen an den Bäumen befestigten Wegweiser werden auch rar. Bevor wir die querende Quaasspree erreichen, sind wir überzeugt, uns längst darauf zu befinden. Ein paar an einer Biegung sitzende Angler belehren uns eines Besseren. Schließlich haben wir die Orientierung wieder gefunden und, nachdem wir die von Schlepzig und Krausnick führende Straße unterquert haben, steuern wir auf die erste Schleuse des Tages zu. Sie ist — womöglich wegen der immer noch frühen Uhrzeit — nicht besetzt. Da ich hinten am Steuer sitze, schickt sich Kordula an, auszusteigen und den Schleusenmeister zu spielen. Ein wenig mulmig ist mir schon zumute so ganz allein in dem Faltboot, den Hebelgriffen meiner Frau hilflos ausgeliefert, doch Kordula meistert ihre Aufgabe souverän — nicht nur das: sie entdeckt geradzu ihre Liebe fürs Schleusen, die bis zum Ende dieses Urlaubs nicht versiegen soll.

Hinter der Schleuse wird das Paddeln etwas schwieriger. Der Wasserstand ist exterm niedrig, und immer wieder müssen wir uns unseren Weg zwischen all den Untiefen mühsam suchen, bevor wir weiter kommen. Als wir nach einiger Zeit die zweite Schleuse erreichen, ist der Tag auch in das Dickicht des Unterspreewaldes vorgedrungen. Der Zauber verflüchtigt sich allmählich. Auch die zweite Schleuse muss in Selbstbedienung überwunden werden. Diesmal sind wir nicht allein. Ein einsamer Kajak-Wanderer, der oberhalb der Schleuse sein Boot packt, möchte von uns mitgeschleust werden, um das Kajak nicht herrenlos schleusen oder gar umtragen zu müssen. Kordula erledigt auch diesen Job mit vor fachmännischem Stolz geschwellter Brust.

Allmählich gelangen wir an das Ende des Unterspreewaldes. Hier kommt uns ein erster Kahn mit Touristen entgegen, die nicht ganz so früh aufgestanden sind wie wir und nun das Beste verpasst haben — aber sie anen ja nichts davon. Zwischen Wiesen und Feldern steuern wir dem Dörfchen Leibsch entgegen, vor dem sich der Puhlstrom wieder mit der Hauptspree vereint. In Leibsch halten wir nach einer Anlegestelle für Lisa Ausschau, denn nun steht der weniger schöne Teil der Tagesordnung auf dem Programm. Wir müssen nach Neu-Lübbenau, den Geldautomaten plündern. Hinter der Autobrücke finden wir zwar Anlegestellen, doch die sind für Kähne gedacht und für Paddler verboten. Auf unserer Karte ist hier eine am Wasser liegende Gaststätte eingezeichnet. Ob man da uch anlegen kann? Wir haben Glück. Der Steg der Gaststätte Spreeblick ist zwar klein, doch nachdem wir erst einmal auf der wunderschönen Terasse zwei große Apfelsaftschorlen wegschlürfen und lieb fragen, dürfen wir das Boot während unseres Ausflugs dort zurücklassen. Sicherheitshalber bringe ich das Fahrradschloss an, das wir für solche Gelegenheiten mithaben. Dann marschieren wir los.

Wir wissen nicht, an welchem Ende der lang gestreckten Siedlung sich die Bank befindet. Wenn wir Pech haben, müssen wir bis zum Südende des Dorfes tappen — das läge dann ein ganzes Stück spreeaufwärts, so dass man das Boot besser weit vor Leibsch geparkt hätte, und es verdoppelt unseren Fußweg. Doch wir haben Glück. Die Bank — eine Filiale der Volksbank — befindet sich in der nördlichen Hälfte des Dorfes, so dass wir unser Ziel schneller erreichen als erwartet. Der Geldautomat ist auch nicht außer Betrieb. Unsere schlimmsten Befürchtungen erfüllen sich diesmal nicht. Mr. Murphy schläft noch. Einen Wasserweg nach Neu-Lübbenau entdecken wir sogar auch noch. Von der Hauptspree führt ein Kanal zu einem kleinen Hafen — beides in unserem Wasserwanderatlas nicht verzeichnet! Doch da wir den Puhlstrom entanggekommen sind, wäre diese Variante auch nicht unbedingt ideal gewesen. So können wir statt dessen die unzähligen Storchennester bewundern. In Leibsch sind sie uns bereits auf den Dächern der Scheunen aufgefallen. Hier befinden sie sich zum Teil sogar direkt an der wenn auch wenig frequentierten Durchgangsstraße auf extra dafür aufgestellten Masten.

Mit prall gefülltem Portemonnaie kehren wir zur Gaststätte Spreeblick zurück und hauen erst einmal einen guten Teil davon auf den Kopf. Inzwischen ist es einiges voller geworden — Mittagszeit —, und wir müssen uns den Tisch mit anderen Gästen teilen. Auch am Bootssteg ist es nun eng. Plötzlich wimmelt es auf dem Wasser wieder nur so von Kanuwanderern. Wieder einmal haben wir Gelegenheit, die gute und dabei günstige Spreewälder Küche in Form von Meerrettich-Cordon bleu bzw. Fährmannsteak (das allerdings auch ein Schnitzel ist) mit Brattkartoffeln zu genießen.

Als wir wieder auf dem Wasser sind, gelangen wir schnell an die nächste Schleuse, eine Doppel-Schleuse. Nach links führt sie auf die kürzere Tour nach Berlin in den Spree-Dahme-Kanal. Wir fahren nach rechts. Wieder steigt Kordula aus, um sich über die Hebel an den Schleusen-Toren herzumachen. Dafür erntet sie aber erst einmal Protest von einem spreeaufwärts fahrenden Motorboot-Kapitän, den sie übersehen hat, so dass sie ihm quasi das Tor vor der Nase zuzuschlagen im Begriff ist. Nun lässt sie den älteren Herrn einfahren, der kurze Zeit später das nächste Protestgeheul erhebt, als Kordula das obere Schleusentor seiner Meinung nach zu hastig öffnet. Dennoch will er — vielleicht auch nur aus Erleichterung noch am Leben zu sein — sie hinterher für ihren Dienst mit 50 Cent entlohnen. Kordula ziert sich jedoch, zumal inzwischen zwei Jungs vom benachbarten Teil der Schleuse aufgetaucht sind, die so aussehen, als würden sie hier normalerweise die Schleusengelder kassieren. Dann werde ich von ihr spreeabwärts geschleust, gemeinsam mit einem anderen Paddlerpärchen, das in der Zwischenzeit eingetroffen ist.

Noch 2,5 km paddeln wir gemütlich über den Fluss, dann ändert sich die Landschaft erneut. Trichterförmig verbreitert geht die Spree in den Neuendorfer See über, der uns erst einmal mit einer steifen Brise begrüßt und uns ordentlich Kraft abverlangt. Zu allem Ãœberfluss wird dann auch noch Kordulas Mütze eine Beute des Windes, und wir müssen eine ganze Weile herummanövrieren, bis wir das gute Stück geborgen haben. Der Wind beruhigt sich schließlich zeitweise, so dass wir jetzt unsere Fahrt auch wieder genießen können. An einer Halbinsel würden wir gerne noch eine Pause einlegen. Doch die schöne Stelle haben sich schon andere unter den Nagel gerissen. Es ist das Pärchen, das mit uns zusammen durch die letzte Schleuse gefahren ist. Also legen wir unsere Pause am zu einem Campingplatz gehörenden Strand an der Südseite des Sees ein, wo Kordula ein bisschen badet, während ich ein Nickerchen halte — beäugt von einer misstrauischen Camperin, die darauf aufpasst, dass wir nicht in die Büsche urinieren.

Es bleiben uns noch etwa 3 km. Da der Wind nun soweit gedreht hat, dass er nahezu in unseren Rücken bläst, hissen wir unser Segel — sprich: wir spannen den Regenschirm auf. Doch den immer wieder heftig auffrischenden Böen ist die Konstruktion nicht gewachsen. Zehn Minuten später ist das Schirmgerippe an zwei Stellen auseinandergerissen. Schließlich nähern wir uns dem langgestreckten Ostende des Sees. Wir paddeln nordwärts, passieren den Ausfluss der Spree und halten nach dem Campingplatz von Alt-Schadow Ausschau, der in unserem Kanu-Wanderführer sehr gepriesen wird. Zurecht, wie sich zeigen wird. Einige Meter neben dem Badestrand finden wir eine Lücke im Schilf, wo wir das Boot ungestört an Land ziehen können. Dahinter erwartet uns ein schöner, weitläufiger Platz mit gepflegtem Rasen, der, obwohl er gut gefüllt ist, nicht überlaufen wirkt. Abermals werden wir von einem dieser durchgesägten Spreewald-Kähne mit den Wasserwander-Rastplatz-Schildern begrüßt. Wir stellen das Boot neben einer überdachten Tischgruppe ab und begeben uns auf die Suche nach Toilette und Rezeption. Bei letzterer müssen wir einige Minuten warten, da sie erst um 18.00 Uhr wieder öffnet. Dafür werden wir von der Betreiberin des Campingplatzes äußerst freundlich begrüßt. Dass wir Wasserwanderer sind, erkennt die Frau sofort — die würden immer so fertig aussehen, meint sie.

Auf der großen Wiese, wo wir unser Boot abgestellt haben, suchen wir uns unweit der Tischgruppe einen Platz für unser Zelt. Schatten gibt es zwar keinen, doch das können wir verschmerzen. Wir gehen schwimmen und lassen uns anschließend auf der auf dem Badesteg angebrachten Bank von der Sonne trocknen. Der Abend ist geprägt, von der wunderschönen Aussicht auf den See und der tiefstehenden Sonne, die uns bis zu ihrem Untergang verwöhnt und einen Hauch von schwedischer Weite in die sommerliche Landschaft zaubert. Nach dem Abendessen erkunden wir noch das gastronomische Angebot des Campingplatzes. In der nahegelegenen Gaststätte finden wir ein nettes Plätzchen auf der Terasse, wo wir bis tief in die Dunkelheit kniffeln und Radeberger, Kordulas neues Lieblingsbier, trinken. Als wir zahlen, um ins in Richtung unseres Zeltes zu verkrümeln, hat der Wirt im Innern die Lichter bereits gelöscht. Der bis dato schönste Tag dieses Urlaubs liegt hinter uns.

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