Einen Tag später als ursprünglich geplant starten wir an diesem Sonntagmorgen gegen 9.45 Uhr in unseren Sommerurlaub. Unser Ziel ist der Osten
Bayerns, wo wir von Blaibach aus in fünf Tagen mit unserem Faltboot auf dem Regen bis nach Regensburg paddeln und danach vielleicht noch ein paar
Tage mit Wanderungen im Bayrischen Wald verbringen wollen. Die trüben Wetterprognosen für dieses Wochenende haben uns veranlasst, erst heute
loszufahren. Mit mir am Steuer gelangen wir zügig und ohne Staus über die A43, A1 und A3 bis nach
Montabaur, wo wir einen ersten kurzen Stop
einlegen.
Die zweite Pause wird uns von unserem leeren Tank aufgezwungen. Wir legen sie an der
Raststätte Spessart ein. An sämtlichen Zapfsäulen warten
lange Schlangen auf uns, die überwiegend aus niederländischen Wohnmobilen und Wohnwagengespannen bestehen. Ich spekuliere darauf, an der kürzesten
am schnellsten vorwärts zu kommen. Doch Murphys Gesetz macht mir einen Strich durch diese Rechnung. Als wir endlich in Reichweite der Zapfsäule
gelangen, rächt es sich, dass ich nicht darauf geachtet habe, dass sich die Zapfsäule, an der wir anstehen, links von unserem Auto befindet, während
dessen Tank jedoch auf der rechten Seite liegt. Als das holländische Wohnanhängergespann vor uns die Zapfsäule freigibt, rollt es nicht soweit
nach vorne, als dass der Schlauch des Zapfhahns bis zu unserem Tank reichen würde, so dass wir eine weitere gefühlte halbe Stunde warten müssen,
bis wir endlich tanken können. Die Flüche, die ich zwischenzeitlich auf den Fahrer des Wohnanhängergespanns vor uns niederregnen lassen, zeigen
jedoch Wirkung, denn kurz nachdem wir endlich wieder auf der Autobahn sind, sehen wir das selbe Wohnanhängergespann mit leuchtender Warnblinkanlage
rechts auf dem Seitenstreifen stehen.
Allzuviel habe ich von meiner Schadenfreude jedoch nicht, denn bald kommt auch unser Auto zum Stehen. Ein Stau beginnt sich zu bilden. Und der
ist vom Feinsten. Auf den folgenden 50 km bis Würzburg geht es über Stunden hinweg nur im Stop-and-Go-Tempo voran. Als sich der Stau entgegen
den Meldungen im Radio auch hinter Würzburg-Kist fortsetzt, verlassen wir entnervt die A3 bei Würzburg-Randelsacker und folgen der am Main
entlangführenden B13 über Ochsenfurt bis zur A7 bei Marktbreit. Aus unserer ursprünglich 611 km langen Fahrt wird damit eine von 657 km Länge.
In Rothenburg ob der Tauber
legen wir schließlich eine Pause ein. Wir verlassen die Autobahn, fahren in die Stadt und lassen das Auto auf dem
Parkplatz eines Supermarktes stehen, ehe wir für ein Stündchen ins Stadtzentrum hineinbummeln, auf der alten Stadtmauer entlanggehen und uns
schließlich in einem Eiscafé niederlassen, um uns einen Eisbecher zu gönnen. Erst gegen 17.45 Uhr sitzen wir wieder im Auto.
Vor uns liegen noch 240 km.
Kordula hat nun das Steuer übernommen und fährt uns weiter auf der A7 bis zum Kreuz Feuchtwangen/Crailsheim und ab dort
über die A6 in Richtung Nürnberg. Hier fließt der Verkehr ohne Probleme. Als wir beim Autobahnkreuz Altdorf über die A3 hinwegfahren, ist auch diese
dort frei von Staus. Bei der Abfahrt Amberg-Ost verlassen wir die Richtung Prag führende A6, fahren auf der B85 ostwärts weiter vorbei an Schwandorf
und Wackersdorf, ehe wir bei Roding erstmals das Regen-Tal erreichen.
War das Wetter bis zu diesem Zeitpunkt ganz passabel, ist es nun die Hölle. Sintflutartige Regenfälle prasseln auf uns hernieder. An zügiges Fahren
ist nicht zu denken. Der Gedanke daran, nachher ein Zelt auf einem Campingplatz aufbauen zu wollen, hat sich in eine Horrorvorstellung verwandelt.
Allerdings weiß ich dank Internet, dass auf dem Campingplatz in Blaibach auch Hütten gemietet werden können. Wir können nur hoffen, dass diese nicht
bereits komplett vergeben sind. Den nächsten Dämpfer erhalten wir, als von der Straße aus der Blick auf den Fluss frei wird, den wir in den nächsten
Tagen bepaddeln wollen. Der Regen führt Hochwasser und ist an etlichen Stellen über die Ufer getreten. Nachdem der Wetterbericht im Radio den
Beginn des Sommers um einen weiteren Tag nach hinten zum Dienstag hin verschiebt, einigen auch wir uns schnell darauf, unsere Paddeltour erst
am übernächsten Tag beginnen zu lassen und somit für zwei Nächte in Blaibach zu bleiben.
Bei Chamerau ist die direkte Straße nach Blaibach gesperrt, so dass wir zunächst noch einen Schlenker über Miltach machen müssen. Dann biegen wir von der
Hauptstraße nach links ab und fahren in das beschauliche
Blaibach
hinein. Als uns die Brücke über den Regen hinüberführt, ist klar, dass wir den
Abzweig zum Campingplatz verpasst haben müssen. Wir kehren um, finden das Hinweisschild und befinden uns wenig später auf dem gemütlichen kleinen
Campingplatz
aqua hema. Die Zeiger unserer Uhren bewegen sich in Richtung der
20.00 Uhr-Markierung. Hinter uns liegen neun Stunden Autofahrt.
Auf der zentralen Wiese erhebt sich neben den
Zelten einiger hartgesottener Camper ein großes Tipi-Zelt. Die Wohnmobile und Wohnwagen drumherum scheinen lediglich als schmückendes Beiwerk zu
fungieren. Die Anmeldung ist nebst Lager für alle möglichen Kanuausrüstungsgegenstände und ein bisschen Biergarten-Gastronomie in einer alten
Scheune am Eingang des Platzes untergebracht. Dort hat man tatsächlich auch noch eine Hütte für uns. Genau genommen handelt es sich um eine
Doppelhüttenhälfte mit überdachter Veranda, auf der sich Tische und Stühle befinden, und einem kleinen Zimmer, das zwei Doppelbetten, ein Regal,
einen Klapptisch und zwei Hocker beinhaltet. Unter der Veranda findet sich zudem noch ein Grill. Nachdem der Regen inzwischen aufgehört hat,
könnten wir das Zelt zwar im Trockenen aufbauen, doch der Rasen auf dem es stehen würde, ist ein einziger großer vollgesogener Schwamm, in dem
jeder Fußtritt einen kleinen See hinterlässt — für einen gelungenen Urlaubsstart absolut ungeeignet. Da ist die Hütte für nur 13,- Euro
mehr pro Nacht eine mehr als willkommene Alternative.
Wir werfen unsere Schlafsäcke auf eine der vier Matratzen. Die anderen drei sind bald von unserem sonstigen Krempel eingedeckt. Das Boot werden
wir an diesem Abend nicht mehr aufbauen, da es verhältnismäßig spät ist und wir im Ort noch etwas essen gehen wollen. Für den nächsten Tag haben wir
ja nun ohnehin keine Paddelaktivitäten mehr geplant. Erst einmal soll das Hochwasser ein wenig abfließen. Der Campingplatzwart hat uns gesagt, dass
dies wohl recht schnell ginge und man den Fluss dann auch unbesorgt befahren könne.
Das Restaurant des Hotels
Kreuzbacher Stub´n
suchen wir ebenfalls auf Rat unseres Campingplatzwarts hin auf. Dort soll es noch bis 22.00 Uhr etwas
zu essen geben. Das Hotel liegt auf der anderen Seite des Flusses auf dem Weg zum Bahnhof. Die Einrichtung zeigt sich bayrisch rustikal, ebenso die
Speisekarte. Das Bier schmeckt nach einem solchen Tag natürlich besonders lecker, aber auch das Tagesgericht — Krustenbraten mit Klößen und
Salat — ist ausgesprochen köstlich, so dass wir uns noch jeder einen Knödel mit Soße nachbestellen. Vollends verblüfft bin ich, als wir die
Rechnung bekommen — gerade mal 18,- Euro. Als Ruhrpötter sind wir da leider ganz andere Preise gewohnt.
Unsere Rückkehr zum Campingplatz verbinden wir noch mit einem kleinen Rundgang durch Blaibach, das doch ein wenig kleiner und verschlafener ist, als
ich mir erhofft hatte. Per Handy teilen wir unseren Eltern mit, dass wir gut angekommen sind. Und von der Regen-Brücke aus versucht Kordula die
schöne Stimmung dieses Abends auf ihre Digitalkamera zu bannen. Nach dem Zähneputzen im Sanitärgebäude des Campingplatzes zwängen wir uns auf
der Matratze mit den Schlafsäcken zusammen und träumen uns in die erste Nacht dieses Sommerurlaubs hinein.