Mit langem Ausschlafen wird es an diesem Morgen nichts. Wir wollen nach Vohburg, um unser Auto nachzuholen. Dementsprechend früh kreuze
ich vor der Rezeption des Campingplatzes auf, wo wir am Vortag Brötchen fürs Frühstück vorbestellt haben. Um 8.00 Uhr, so hat man uns
eingebleut, könne man diese abholen. Ich bin etwa zehn Minuten früher da, bin jedoch nicht der einzige. Bald bildet sich hinter mir eine kleine
Schlange, die geduldig und bußfertig darauf wartet zur Audienz vorgelassen zu werden. Noch hat die Rezeption nämlich geschlossen, was nicht
heißt, dass diese nicht besetzt ist. Im Inneren wartet man ebenfalls. Die Brötchentüten stehen bereit. Wirklich etwas anderes zu tun, als
hinaus auf die Wartenden zu starren, hat man offenbar auch nicht. Aber das ist längst kein Grund, dem Camper-Pöbel dort draußen auch nur
eine Minute früher als unbedingt notwendig, Einlass in die heiligen Gemächer der hiesigen Regenten zu gewähren. Schließlich erreicht der
Zeiger der Uhr dann doch die magische Grenze. Gemächlich bequemt man sich im Innern der Rezeption hinter dem Schalter hervor, schlendert
zur Eingangstür und steckt den Schlüssel in Schloss. Am Schalter heißt es dann in guter alter Kasernenhofmanier nur "Name?". Einen Moment
lang bin ich versucht zu salutieren und meinen Dienstgrad gleich mit zu nennen, doch ich reiße mich zusammen. Wenig später werde ich mit
meiner Brötchentüte in die Freiheit entlassen.
Der Sommer scheint an diesem Morgen eine kleine Atempause einlegen zu wollen. In der Frühe hat es ein wenig geregnet. Draußen ist es
dehalb etwas klamm, was uns aber nicht daran hindert, uns auf die Biertischgarnitur-Bank, die wir uns gestern direkt nach unserer Ankunft
gesichert haben, zu setzen und das Fühstück zu genießen.
Nach dem Frühstück nehmen wir den Bus in die Stadt, der um 9.10 Uhr fahren soll, sich aber noch ein paar Minuten Zeit lässt, ehe er kommt.
Kordula traut sich nicht, die nicht entwerteten Tickets von gestern abend zu benutzen, also kaufen wir erst einmal brav neue. Die anderen
können wir ja hinterher immer noch benutzen. Wir fahren bis zur Haltestelle Albertstraße. Von dort sind es nur ein paar Minuten bis zum Bahnhof, so dass
sich das Umsteigen auf eine andere Buslinie nicht lohnt. Unsere Bahnfahrkarten ziehen wir am Automaten. Dann gehen wir zum Bahnsteig, wo der
Zug bereits wartet. Um 9.44 Uhr geht's los. Bei Riegling führt die Eisenbahnlinie über die Donau. Erst gestern sind wir hier entlang
gepaddelt. Zwischen Sinzing und Gundelshausen fährt der Zug noch am Flussufer entlang. Danach bekommen wir von der Donau eher wenig zu sehen,
da sich die Bahnlinie immer wieder in respektvollem Abstand vom Ufer fernhält. Ab Saal ist es dann damit endgültig vorbei — ein
Umstand, der sich auch mit Erreichen des Bahnhofs Vohburg um 10.41 Uhr nicht ändert.
Dass sich der Bahnhof von Vohburg etwas außerhalb der Innenstadt befindet, hatten wir bei unserem Aufenthalt dort vor drei Tagen auf dem
Stadtplan bereist gesehen. Dass er sich jedoch im absoluten Nirvana befindet, haben wir dabei nicht erkannt. Eigentlich hätten wir zumindest
damit gerechnet, eine Bushaltestelle, einen Taxistand oder zumindest eine Telefonzelle vorzufinden. Nichts dergleichen! Der Zug hätte genauso
gut an einer Kuhweide halt machen können. Mich wurmt, dass ich eigentlich gewarnt war. Als unsere Vohburg-Nachbarn gestern erzählten, sie
wollten heute ihr Wohnmobil nachholen, hatten sie schon erwähnt, dass sie mit dem Zug bis nach Ingolstadt und von dort mit dem Bus nach
Vohburg fahren wollten, weil das mit dem Aussteigen in Vohburg nicht so günstig sei. Ich habe es nicht wahr haben wollen.
Wir stapfen zu einer Ansammlung von Häusern, die sich in der Nähe befinden. Von dort aus lässt sich
in erträglich erscheinender Ferne ein Kirchturm ausmachen. Das muss Vohburg sein. Wir halten darauf zu. Zum Glück fragt Kordula bei einem
älteren Herrn noch mal nach, der sich im Vorgarten eines der Häuschen befindet. Nein, Busse gebe es hier nicht, das sei leider so, und der
Weg nach Vohburg, gehe in die andere Richtung als die, die wir gerade eingeschlagen haben, nicht entlang des asphaltierten
Sträßchens, sondern zwischen Äckern und Feldern hindurch, da lang. Dabei zeigt er in eine Richtung, in der die Horizontlinie durch eine
Reihe weit entfernter Baumreihen gestellt wird. Der Sohn des Alten, der kurz danach hinzukommt, bestätigt diese Angaben und teilt auch unser
Unverständnis darüber, dass dieses verfallende Etwas, wo wir vorhin ausgestiegen sind, sich als Bahnhof Vohburg bezeichnen darf, denn das
hier sei nicht Vohburg, sondern Rockolding.
Wir fügen uns in unser Schicksal und stapfen drauf los. Natürlich könnten wir jetzt versuchen, per Handy ein Taxi in diese Ackerlandschaft zu
dirigieren, doch was soll's. Die Sonne setzt sich langsam wieder durch, und wir sind Wanderurlauber. Diese Dinge gehören einfach dazu, das
war schon immer so. Die erste Hälfte des etwas mehr als 4 km Fußwegs, an dem wir uns eine gute Dreiviertelstunde abarbeiten, bietet keine
landschaftlichen Höhepunkte. Felder, Wiesen, Bäume, ein Bach, der uns die meiste Zeit begleitet — das war's. Die einzige Spannung
resultiert aus dem Umstand, dass wir bis kurz vor der Stadtgrenze von Vohburg nicht ein einziges Gebäude erblicken, weil hinter der einen
Baumreihe, die einem den Blick verstellt, direkt wieder die nächste kommt. Wenigstens latschen wir so nicht die weiter westlich verlaufende,
viel befahrene Verkehrsstraße entlang. Angesichts der dünnen Sohlen meiner Schuhe, durch die ich jedes Steinchen spüre, hätte jedoch auch
dies seine Vorzüge.
Dann sind wir in der Stadt. Die Spannung steigt — ist unser Auto auch noch da? Wir durchqueren die Innenstadt, halten Kurs auf die
Donaubrücke, gehen an der dort gelegenen Pizzeria vorbei und sehen ... unser Auto — unbeschädigt! Unsere Wiedersehensfreude ist wie
stets bei solchen Anlässen grenzenlos.
Wenig später rollen wir ein letztes Mal durch die Vohburger Innenstadt. Wir tanken, dann lassen wir die Stadt hinter uns. Wir folgen der B16
und wechseln bei der Anschlussstelle Abensberg auf die A93, die wir in Regensburg-Prüfening wieder verlassen. Von dort sind es nur ein paar
Straßenzüge, die uns vom Campinggelände trennen. Für die etwa 60 km brauchen wir deutlich unter einer Stunde. Das Auto stellen wir draußen
auf dem zugehörigen Parkplatz ab. Reinfahren dürfen wir damit nur, um unsere Ausrüstung einzuladen — wie das Boot, das noch immer
frech hinter unserem Zelt steht.
Nach einer kleinen Mittagspause vorm Zelt, bei der wir den Rest unserer Frühstücks-Brötchen vertilgen, macht Kordula ein Nickerchen, während
ich mich an den Abbau des Faltboots mache. Das Boot ist inzwischen schön trocken. Die Sonne hat die Regentropfen der Nacht zum Verschwinden
gebracht. Wie immer wird mir beim letzten Abbau im Urlaub ein bisschen wehmütig ums Herz. Als ich alles schön verpackt habe, gehe ich mit dem
kleinsten der drei Säcke zum Parkplatz zurück, um unser Auto zu holen. An der Einfahrt hat sich ein kleiner Stau gebildet. Vier Wohnmobile
oder Anhängergespanne warten vor der geschlossenen Schranke darauf eingelassen zu werden. Auf einem Schild lese ich dann, dass die Schranke
während der bis 15.00 Uhr währenden Mittagspause geschlossen bleibt. Ich mache mir diesmal nicht die Mühe, ins Innere der Rezeption zu
schielen, ob der Rausschmeißer und seine Kollegin jetzt wieder da drin sitzen und stumpfsinnig auf die Warteschlange starren. Da ich keine
Lust habe, über eine halbe Stunde zu warten, bis die Schranke wieder offen ist, um dann wahrscheinlich nochmals zu warten, bis der Stau
abgeflossen ist, gehe ich zum Zelt zurück und schleppe nacheinander die verbleibenden Säcke zum Auto.
Um 15.55 Uhr steigen wir an der Haltestelle vor dem Campingplatz wieder in den Bus der Linie 6 in Richtung Innenstadt, diesmal unsere Reste-Tickets
von gestern abend verwertend. Am Fischmarkt steigen wir wieder aus. Kordula schleppt mich durch ein paar Läden, wobei wir einen Spiegel entdecken,
der so aussieht, als wolle er demnächst in unserem Flur herumhängen. Er ist heruntergesetzt, leider aber zu groß, um ihn jetzt mit sich durch
die Gegend zu schleppen. Wir wollen ihn am nächsten Tag kaufen, falls er uns dann noch gefällt.
Beim Touristenbüro melden wir uns für eine Stadtführung an, die am nächsten Morgen um 10.00 Uhr stattfinden soll. Dann bummeln wir noch
ein wenig umher, nehmen unter anderem die
Porta Praetoria, die
historische Wurstkuchl, den
Dom und natürlich die
Steinerne Brücke in
Augenschein. Letztere führt uns auf die andere Seite der Donau nach xxx, wo wir auf einer zwischen Donau und Regen liegenden Insel (XXX)
einen hübschen, aber sehr vollen Biergarten entdecken. Da sich allmählich auch unser Appetit wieder regt, halten wir noch ein wenig nach
Alternativen Ausschau, doch nichts kommt an den Biergarten von eben mit seinem Ausblick auf die Regensburger Stadtkulisse heran. Also
gehen wir dorthin zurück, und haben das Glück, an einem der der Donau zugewandten Tische zwei Plätze zu ergattern. Höchste Zeit, es ist
bereits nach 22.00 Uhr.
Das Gasthaus, zu dem der Biergarten gehört, trägt den Namen
Alte Linde.
Der Kellner sorgt mit kernigen Sprüchen für Unterhaltung. Wir lassen uns ein helles und ein dunkles Bier bringen. Während Kordula Steaks
von dem großen Grill am Eingang bestellt, suche ich mir etwas aus der Karte mit Sauerkraut und Schupfnudeln aus. Während wir warten,
tauchen zwei junge Kerle im Outfit fahrender Handwerker auf, gehen von Tisch zu Tisch, und sammeln Geld für die Übernachtung. Auch Kordula
zeigt sich spendabel, als der eine von ihnen sich bei uns vorstellt.
Dann kommt nacheinander das Essen, und wir genießen noch einmal bayrische Küche in urtümlicher Atmosphäre. Nach gut zwei Stunden und
einem weiteren Bier machen wir uns auf den Nachhauseweg. Kordula gönnt sich unterwegs an einer Eisdiele bei der Steinernen Brücke noch
ein Eis und ärgert sich anschließend darüber, dass das, was sie bekommen hat, die Bezeichnung Amarena Kirsche tragen darf. Den Weg zum
Campingplatz bewältigen wir zu Fuß, rechts von uns die Donau, über uns funkelnde Sterne. Schließlich haben wir heute morgen in Vohburg
ja ordentlich dafür trainiert.