Das Unwetter von gestern abend, von dem bei uns ja insgesamt recht wenig angekommen ist, hat die Luft gründlich gereinigt. Es ist deutlich
kühler, aber der Himmel ist klar und die Luft frisch und nicht mehr so schwül. Um 7.45 Uhr mache ich mich auf den Weg zu dem Laden, den
wir gestern abend noch auskundschaftet haben, um Brötchen zu holen. Natürlich bin ich dort nicht alleine. Auch Wolfgangs Schulklasse belagert
die Backtheke. Wenig später belagern sie auch wieder die kleine Holzhütte. Wir verzichten darauf, uns dazwischen zu drängen und frühstücken
im Gras vor unserem Zelt. Dabei geht der letzte Rest Butter und der letzte Rest Erdbeer-Marmelade drauf, die wir uns mitgebracht hatten.
Während wir danach packen, räumt auch die Schulklasse ihr Zeug zusammen — diesmal warten jedoch nicht die Kanadier auf sie, sondern ein
Bus. Die Bootswanderung ist für sie in Reichenbach zu Ende, und nachdem sie mich vor allem hier in Reichenbach ein bisschen genervt haben,
bin ich darüber nicht traurig.
Um 10.00 Uhr sitzen wir mit Sack und Pack in unserem Boot und brechen zur
vierten Etappe
der Kanuwanderung auf. Bereits kurz nachdem wir den
Zeltplatz
hinter uns gelassen haben, zweigt links der langgestreckte Mühlenkanal der nächsten
Wehranlage
ab, dem wir bis zum Ende folgen. Die Ausstiegsstelle für die Umtrage befindet sich unmittelbar vor dem Wehr. Ein Holzbalken sorgt dafür, dass
man mit dem Boot nicht über die Staustufe hinaus fährt. Der Balken leistet uns auch gleich gute Dienste, denn nachdem unser erstes Anlegemanöver
misslingt, drückt uns die Strömung mit aller Macht mit dem Heck gegen das Hindernis. Fluchend rühren wir mit unseren Paddeln in dem engen Kanal,
ehe wir es schaffen das sperrigen Boot gegen die Strömung zur Ausstiegsstelle zu manövrieren. Nur zehn Minuten nach unserem Aufbruch sind wir
wieder an Land, sind deswegen jedoch zunächst einmal ganz erleichtert. Es sind nur ein paar Meter, die man hier umtragen muss, umso lästiger
ist es, die schwereren Gepäckstücke erst einmal wieder aus dem Boot räumen zu müssen, um das Ding aus dem Wasser und auf den Bootswagen hieven
zu können. Nach kurzem Fußmarsch über eine Wiese stehen wir an der Stelle, wo wir das Boot hinter dem Wehr wieder zu Wasser lassen können.
Um 10.30 Uhr sitzen wir wieder im Boot und können erst einmal in Ruhe das Paddlerdasein genießen.
Eine halbe Stunde später kommt das nächste Hindernis in Sicht: die
Wehranlage Tiefenbach.
In unserer Paddelbeschreibung lesen wir, dass es hier einen Umgehungslauf gebe, dessen Nutzung für Geübte möglich sei.
Falls mit dem Wort Umgehungslauf das Treideln des Bootes gemeint ist, hätte man besser dazugeschrieben, dass man eine Sense mit sich führen soll.
Das Buschwerk längs des kleinen Baches, der parallel zum eigentlichen Fluss verläuft, lässt an den Einsatz einer Bootsleine nicht denken.
Uns bleibt nichts anderes übrig als abermals umzutragen. Doch inzwischen haben wir ja unsere alte Routine wiedergefunden. Als wir wieder im
Boot sitzen sind es nur noch xxx durchweg hindernisfreie Kilometer bis Nittenau.
Kurz vor Mittag erreichen wir die Stadt, deren touristische und gastronomische Angebote wir am gestrigen Abend so sehr vermisst haben.
Wir paddeln zwischen den von Häuseren gesäumten Uferstreifen entlang, ehe uns auch hier ein Wegweiser in einen nach links abzweigenden
Mühlenkanal schickt. Der Kanal bildet hier zusammen mit dem Fluss eine große Insel, auf der Teile der Stadt liegen. Nach einiger Zeit
erreichen wir die
Ausstiegsstelle,
die direkt an einer Imbissbude liegt. Wir können nicht widerstehen. Es ist 12.00 Uhr, der Zeitpunkt ist ideal, zumal wir an diesem Tag bislang noch
keine Pause gemacht haben. Also bestellen wir uns eine Pommes und ein paar Weißwürstel, die wir genussvoll vertilgen, ehe wir uns abschließend noch
jeweils eine große Tasse Kaffee gönnen. Danach schieben wir unser auf dem Wagen festgeschnalltes Boot über einen Parkplatz und unter einer
Straßenbrücke hindurch, ehe wir einen Grünstreifen erreichen, wo sich die Einstiegsstelle befindet. Während ich die letzten Gepäckstücke
verstaue, sucht sich Kordula noch schnell eine Toilette in einem nahe gelegenen Gasthaus. Um 12.50 Uhr legen wir ab.
Die Strömung verleiht uns jetzt wieder eine etwas flottere Geschwindigkeit. Der Fluss windet sich in engen Schlingen aus der Stadt hinaus und
passiert schließlich die
Ausstiegsstelle
zum ortsansässigen Campingplatz. Nach xxx km erreichen wir schon wieder das nächste
Wehr.
Auch hier gibt es einen sogenannten Umgehungslauf. Und da die Böschung entlang des kleinen Seitenarms hier frei von Büschen und Sträuchern ist,
können wir das Boot treideln. Wir diskutieren erst, ob es besser ist, die Leine am Bug zu belassen oder ans Heck zu binden. Doch schließlich
kann ich Kordula von letzterem überzeugen. Das Boot lässt sich problemlos in ein etwas tiefer gelegenes Becken manövrieren. Dort können
wir wieder einsteigen, müssen es sogar, denn ab hier verhindert dichtes Buschwerk am Ufer weitere Treidelexperimente. Die nächsten Meter
haben zwar noch nicht gerade Wildwassercharakter, doch bis sich der Seitenarm wieder mit dem breiten Fluss vereinigt, müssen wir so
einigen Stein in dem zügig strömenden Wasser ausweichen und die ein oder andere Engstelle meistern. Auch nachdem wir uns wieder auf dem
Fluss befinden, bleibt die Strömung recht kräftig. An einer Stelle sitzen wir kurz mit dem Heck auf einem Stein auf, können uns jedoch wieder
befreien.
Bald wendet sich der Fluss, der bislang hauptsächlich westwärts geflossen ist, in Richtung Süden. Beim
Rastplatz Marienthal sehen wir zum
ersten Mal an diesem Tag wieder andere Paddler, die hier das am Ufer gelegenen Gasthaus für eine Pause nutzen oder auch genutzt haben und
eben wieder ihre Bootstour aufnehmen. Als die Anlegestelle zu unserer Linken auftaucht, sind wir zu unentschlossen, ob wir schon wieder eine
Pause machen wollen. Kurz darauf hat uns die flotte Strömung schon vorbeigetragen und Marienthal bleibt hinter uns zurück.
Erst am xxx km weiter südlich gelegenen
Rastplatz Heilinghausen
steuern auch wir dann wieder das Ufer an. Inzwischen ist es 15.30 Uhr. Der Rastplatz gibt nicht ganz soviel her wie der letzte in Marienthal.
Er liegt am Ende eines kleinen Dorfes, ein Gasthaus ist hier jedoch nicht in der Nähe, was uns Gelegenheit gibt, an der Tischgruppe unter ein
paar Bäumen an unseren restlichen Brötchen von heute morgen und ein paar Äpfeln zu nagen. Eine Gruppe anderer Paddler packt gerade ihre Ausrüstung
zusammen und lädt Kanus auf den Dachgepäckträger eines Autos. Wenig später sind sie verschwunden. Als wir uns wieder daran machen, in unser Boot
zu steigen, landet gerade eine weitere Paddler-Gruppe an. Nachdem wir bis zum Nachmittag überhaupt keine anderen Boote gesehen haben, sind es
jetzt plötzlich recht viele.
Nach weiteren xxx ereignislosen aber schönen Kilometern erreichen wir gegen 17:00 Uhr das Ziel unserer Tagesetappe — den
Zeltplatz Ramspau.
Eigentlich hatten wir damit gerechnet spätestens hier unseren beiden Opas wieder zu begegnen, die wir seit unserer gestrigen Rast bei Kirchrohrbach
nicht mehr gesehen haben. Gut möglich, dass sie gestern mit Nittenau bereits das Ende ihrer Tour erreicht haben. Hier sind sie jedenfalls nicht.
Der Zeltplatz schließt sich in Form einer eher kleinen abgeteilten Wiese an ein Flussfreibad an. Die Anmeldung erfolgt am Kiosk und besteht
eigentlich nur darin, die Übernachtungsgebühr zu entrichten. Ansonsten kassiert der mit seinem blank polierten Schädel an Kojak erinnernde Mann,
der hier den Laden schmeißt, überwiegend für Eis und Pommes. Auch Kordula läuft angesichts solcher Angebote sofort das Wasser im Mund zusammen.
Doch der Duft nach altem Fett, der aus der Friteuse quillt, bringt ihren Speichelfluss schnell wieder zum Erliegen, und so gehen wir zurück zu
Boot und Ausrüstung und machen uns daran, das Zelt aufzubauen.
Nachdem wir uns an unserem neuen Nachtquartier eingerichtet haben, bekommen wir bald Gesellschaft. Die Paddlergruppe, die uns an dem Rastplatz in
Heilinghausen zum ersten Mal begegnet ist, ist inzwischen hier eingetroffen. Bald gesellen sie sich zu uns, kündigen an, dass sie hier mit ihrem
Kram ziemlich viel Platz in Anpruch nehmen werden, und fragen, ob wir unser Zelt versetzen wollen oder ob es in Ordnung ist, wenn sie uns umzingeln.
Wir lassen sie uns umzingeln. Bald taucht einer von ihnen mit einem voll beladenen Lieferwagen auf, aus dem sich eine Unmenge von Zelten,
Schlafsäcken und Reisetaschen auf den grünen Rasen des Zeltplatzes ergießt. Wir entziehen uns dem plötzlichen Rummel, indem wir uns unsere Duschsachen
schnappen und ein zweites Mal in Richtung Kiosk davonziehen.
Bei den Duschen handelt es sich nicht einfach um irgendeinen Raum, in den man so hineinspaziert. Sie müssen erst einmal aufgeschlossen werden,
und an Kojaks Fahrrad, das im Vorraum herumsteht, sollen wir uns doch bitte auch nicht stören. Um Kojak nicht mehr Umstände zu machen als
notwendig, hänge ich mich an Kordula dran, und verschwinde einfach mit ihr in der Damendusche. Kojak witzelt, das sei okay, er könne ja wieder
von außen abschließen. Die Schreie, die anschließend aus dem Duschraum nach außen dringen, sind jedoch dann in erster Linie dem Umstand geschuldet,
dass aus den Brauseköpfen kein Tropfen auch nur annährend als warm zu bezeichnendes Wasser herauszubekommen ist — ein kleines Detail, das
der glatzköpfige Frittenbudenbetreiber zu erwähnen vergessen hat.
Zurück am Zelt stellt sich heraus, dass unsere neuen Nachbarn, das mit dem Umzingeln vielleicht doch etwas anders gemeint haben könnten, als wir
das verstanden haben. Zumindest türmen sich auf unseren Isomatten, die wir vor unserem Zelteingang zurückgelassen haben, die Kleidungsstücke
unserer Zeltnachbarin. Als sie jedoch bemerkt, dass unsere Sachen nicht zu denen ihrer Gruppe gehören, evakuiert sie eilig Entschuldigungen
murmelnd unsere Matten. Wir machen uns ausgehfertig, und wenig später entfliehen wir der bedrängenden Enge in Richtung Ramspau.
Das Örtchen liegt auf der anderen Seite des Flusses und ist vom Zeltplatz aus am schnellsten über eine Fußgängerbrücke zu erreichen, die sich
unweit des Dorfkerns über den Regen spannt. Zum Glück handelt es sich bei Ramspau um mehr als jene gesichtslose Ansammlung von Häusern, die
Reichenbach darstellte. Enge Gässchen, eine hübsche Kirche, alte Bauernhäuser und dazu ein lauschiger Biergarten sorgen dafür, dass wir uns
heute Abend wieder wie Urlauber und nicht wie Gestrandete fühlen. Wir genießen unser Bier, den Schweinebraten mit Knödel in Dunkelbiersoße,
den ich mir bestelle, sowie das Holzfällersteak, das sich Kordula aussucht. Zum Abschluss gönnen wir uns noch einen Blutwurz.
Während des Essens grübeln wir über den weiteren Fortgang unseres Urlaubs nach. Die
letzte Etappe
der Wasserwanderung auf dem Regen hat zwei entscheidende Nachteile. Zum einen ist da die Aussicht, einen großen Teil davon in Sicht- und Hörweite
der Autobahn A93 verbringen zu müssen, zum anderen der Umstand, dass uns am Ende der letzten Etappe lediglich ein Ausstiegssteg der DLRG zur
Verfügung steht, ohne die Möglichkeit unser Zelt aufzubauen. Der Versuch, entgegen der Donauströmung bis zum öffentlichen Campingplatz zu gelangen,
erscheint uns nach allem, was wir gehört haben, wenig aussichtsreich zu sein. Und die Vorstellung, das Boot mit allem Gepäck darin quer durch die
Stadt bis zum Campingplatz zu schieben, behagt uns eben so wenig wie die, unser komplettes Equipment für Stunden unbeaufsichtigt auf dem Gelände
der DLRG liegen zu lassen, bis wir das Auto nachgeholt haben. Uns bleibt nur eine Entscheidung. Wir lassen unsere Bootswanderung hier in Ramspau
enden. Morgen früh wollen wir ins benachbarte Regenstauf spazieren. Auf unserem Weg in den Biergarten haben wir einen Radweg gesehen, der den Ort
Richtung Süden verlässt und der auch als Spazierweg recht vielversprechend aussah. Von Regenstauf aus können wir mit dem Zug zurück nach Blaibach
fahren und unser Auto abholen. Dann müssen unsere Sachen zwar hier unbeaufsichtigt auf uns warten, aber das erscheint uns momentan risikoloser
als das inmitten einer Stadt wie Regensburg tun zu müssen.
Zufrieden mit unserem Entschluss genießen wir den hereinbrechenden Abend, der mit einem ungewöhnlichen Farbspektakel aufwartet. Ob es an der
Beschaffenheit oder Höhe der nicht ganz geschlossenen Wolkendecke über uns liegt, ist für mich nicht erkennbar. Auf jeden Fall scheint die Sonne
in flachem Winkel in die Landschaft, verleiht den Wolken eine intensiv ins grünlich gehende Farbe, die von den doch eigentlich in sattem
Grün dastehenden Wäldern um Ramspau herum als kräftiges Gold zurückgeworfen wird. Eine unwirkliche Szenerie, die für etliche Minuten Bestand hat,
die wir mit Kordulas Digitalkamera aber nicht so richtig abgebildet bekommen.
Als wir den Weg zu unserem Zelt antreten, ist der Zauber längst vorbei. Die Sonne ist untergegangen. Es wird dunkel. An unserem Zeltplatz hat sich
die um uns herum campierende Gruppe um ein hell loderndes Lagerfeuer versammelt, wo man sich darüber austauscht, welche Erfahrung einem während der
letzten Tage besonders wichtig war. Das ganze hört sich ein wenig nach Kirchenfreizeit an. Doch uns kann es recht sein, denn das ganze geht in
größerem Abstand von unserem Zelt über die Bühne, so dass wir es uns, nachdem wir uns bettfertig gemacht haben, ohne äußere Störfaktoren in
unseren Schlafsäcken gemütlich machen können.