Unser Plan klappt wie am Schnürchen. Wir stehen zeitig auf, frühstücken und sind um 8.40 Uhr an der Bushaltestelle,
die wir am Vorabend entdeckt haben. Die Fahrt zum S-Bahnhof dauert keine Viertelstunde. Dort haben wir Glük, als
pünktlich um 9.00 Uhr ein Schalter aufmacht, so dass wir aus der Warteschlange der Ratlosen ausscheren können,
die die Aufschrift der zahllosen Knöpfe an einem Fahrkartenautomat studieren. Oben am Gleis herrscht ordentlich
Rummel. Schwarz, rot, gold dominiert. Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat sich für den Morgen auf der
Berliner Fanmeile angekündigt, um sich von ihren Anhängern und von der Fußball-WM zu verabschieden.
Der Regional-Express bringt uns bis zum Ostbahnhof, obgleich wir nicht ganz sicher sind, ob es wirklich notwendig,
geschweige denn mit unserem Ticket überhaupt erlaubt ist, so weit in die Stadt hinein zu fahren. Doch die beiden
Fahplan-Auszüge, die wir uns vorausschauenderweise bereits in Lübbenau zugelegt haben, verraten uns, dass wir
dort Anschluss an eine Regionalbahn nach Lübbenau haben werden. Also steigen wir dort um. Nun sind wir zum ersten
Mal in diesem Urlaub so richtig in Berlin. Eineinhalb Stunden später jedoch, um 11.15 Uhr, sind wir wieder im
sonnigen Spreewald.
Als wir bei unserem nahe des Bahnhofst stehenden Auto ankommen, sind wir erst einmal erleichtert, dass es noch
da steht. Dreckig ist es geworden während dieser Woche — der Baum, unter dem es steht, hat in dieser Hinsicht
alles gegeben — aber es ist noch da. Wie berechtigt unsere Erleichterung ist, erfahren wir kurze Zeit später.
Unter dem Scheibenwischer kleben zwei Knöllchen, die uns das unerlaubte Parken auf einem Gehsteig vorwerfen
und uns dafür mit 15 Euro bestrafen. Wir sind verwirrt. Dieser Sandstreifen neben dem eigentlichen Gehweg ist
kein Parkplatz? Und hatten die blauen Schilder nicht das Parken dort ausdrücklich erlaubt? Eine Anwohnerin, die
gerade aus dem Fenster des nahestehenden Hauses blickt, entdeckt uns, und gibt uns bereitwillig Auskunft. Nein,
das Schild weiter hinten erlaubt das Parken nur bis zur Straßeneinmündung, dahinter nicht. Hört sich ein wenig
nach Touristen-Falle an. Da hier nicht einmal ein Parkverbotsschild steht, wäre es also erlaubt gewesen, das Auto
statt auf dem breiten Sandstreifen auf der engen Straße zu platzieren. Zu guter Letzt können wir soger froh sein,
nicht abgeschleppt worden zu sein. Laut der Anwohnerin habe die Politesse dies in die Wege leiten wollen, hätte
der Wagen noch länger dort gestanden. Glück im Unglück also — wobei wir mit der Aktion, das Auto nicht auf
dem Campingplatz zu belassen nun nicht wirklich Geld gespart haben.
Mangels Hunger verwerfen wir den Gedanken, noch einmal den schönen Biergarten am Alten Hafen aufzusuchen, und
machen uns direkt auf den Rückweg nach Berlin. Die Fahrt vergeht wie im Fluge. Den Weg zu finden, bereitet uns
keine größeren Schwierigkeiten, auch wenn wir uns an der Autobahnabfahrt zunächst für die falsche Richtung
entscheiden. Leider liegt unser Parkplatz am Campingplatz dann ein gutes Stück von Zelt und Boot entfernt,
so dass einiges an Schlepperei auf uns zukommt. Ein kleiner Defekt am Boot bereitet uns dann noch etwas Kummer.
Einer der Metallringe an der Bootshaut, über die der Süllrand fixiert wird, ist abgegangen. Außerdem quetsche
ich mir beim Schleppen mit Hilfe des Bootswagens einen Nerv an der linken Hand, so dass der untere Teil meines
Daumens für den Rest des Urlaubs gefühllos bleibt.
Es ist noch nicht einmal 15.00 Uhr, da haben wir unsere Sachen verstaut — wenn auch nicht fürs Bilderbuch; der
Kofferraum ist ungefähr doppelt so voll wie bei der Hinfahrt. Ich bezahle die 11 Euro für eine Übernachtung bei
dem Campingplatzbetreiber — da wir uns nach 11.00 Uhr abmelden, hätte er auch mehr veranschlagen können —
und wir halten noch ein Schwätzchen über das bevorstehende WM-Finale.
Den Campingbungalow auf dem
Campingplatz Riegelspitze
in Werder an der Havel, 6 km westlich von Potsdam, hat Kordula uns schon am
Morgen telefonisch gesichert. Nun nehmen wir Kurs darauf. Einmal südlich um Berlin herum heißt für uns an diesem
Tag 60 km zurücklegen. An unserem Ziel wartet ein richtiger Campingplatz auf uns, so wie man sich das vorstellt,
mit WCs, Duschen, einem netten Biergarten, Badestrand und Bootsanlegern. Die Bungalows sind optisch nicht ganz so
gelungen wie die in Lübbenau, die äußerlich schwedischen Blockhütten entsprachen und zudem direkt am Wasser lagen.
Diese hier liegen gegenüber dem Toilettenhäuschen — ein Ausblick, an den ich mich erst gewöhnen muss, wohl wissend,
dass diese Nähe in den folgenden Tagen und Nächten auch ihre Vorteile haben wird. Immerhin habe wir es schön geräumig
und können unseren ganzen Kram erst einmal richtig ausbreiten und sortieren. Zunächst ist aber duschen und essen
angesagt. In dem kleinen Biergarten am Strand verdrücken wir jeder ein Jägerschnitzel mit Pommes.
Den Abend genießen wir auf der Terasse. Den kleinen Fernseher im Wohnzimmer in Betrieb zu nehmen, stellt mich
zunächst vor einige Schwierigkeiten, weil erst eine Antenne eingeschaltet und ein Schalter an ihrer Unterseite
in die richtige Position gebracht werden muss. Nachdem das vollbracht ist, drehe ich den Fernseher so, dass
man von der Terasse aus das WM-Finale zwischen Frankreich und Italien verfolgen kann. Nebenbei kniffeln wir
und sehen den anderen Campinggästen bei ihren Toilettengängen zu. Das Spiel bringt einen unwürdigen
Weltmeister hervor — doch das ist mir auch schon vor dem Anpfiff klar. Bezeichnend, dass ein Elfmeterschießen
die Entscheidung bringen muss.
Als wir uns in unser Schlafzimmer zurückziehen, erwartet uns noch eine Überraschung. Eine Armeisenarmee ist von einer
Ecke des Schlafzimmers her eingefallen und hat sich über unser Gepäck hergemacht, das auf dem Einzelbett an der Wand
liegt. Zum Glück haben sich nur einige wenige auf das Doppelbett verirrt, so dass wir, nachdem wir unsere Sachen
gerettet haben, wenigstens unbehelligt schlafen können.