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Anreise nach Kratzeburg


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Di, 15. Juli 2008]

An diesem Morgen ist zunächst letztes Klamottenpacken angesagt. Der Vortag war derart voll mit Dingen, die noch unbedingt erledigt werden sollten, dass für das Wesentliche keine Zeit geblieben ist. Aus der ursprünglich frühmorgendlichen Abfahrt wird also erstmal nichts. Umso erfreulicher, dass wir dennoch gegen 9.45 Uhr im Auto sitzen. Über die A45 und die A2 gelangen wir ohne Zwischenfälle bis kurz vor Gütersloh, wo wir eine erste kleine Rast einlegen. Das Wetter ist herrlich sommerlich, als ob es uns den ersten längeren Abschied von unserem neuen Zuhause besonders schwer machen will. Dies ändert sich, als wir Hannover hinter uns gelassen haben. Eine scharfe Wolkengrenze liegt vor uns. Diesseits davon strahlend blauer Himmel, jenseits davon eine dichte, graue Decke. Das verheißt nichts Gutes.

Inzwischen haben wir ein Hörbuch in den CD-Player eingeschoben, das ich auf den letzten Drücker in der Bochumer Stadtbücherei ausgeliehen habe, — "Meteor" von Dan Brown — und verschaffen uns somit ein wenig Unterhaltung. Nach einer weiteren Pause in der Nähe des brandenburgischen Ziesar, wo wir tanken müssen, übernimmt Kordula das Steuer. Wir verlassen die A2 am Dreieck Werder und umfahren Berlin über die A10.

Bei Oranienburg lassen wir die Autobahn hinter uns. Ab hier müssen wir die nächsten paar dutzend Kilometer eigentlich nichts weiter tun, als kerzengerade aus weiter zu fahren. Doch in Oranienburg weist ein Wegweiser an einer Kreuzung plötzlich die B96 nach links aus und wir sind naiv genug, uns auf ihn zu verlassen. Bald sehen wir ein, dass dies keine so gute Idee war und kehren wieder um, entscheiden uns dann aber an der besagten Kreuzung wieder für eine falsche Richtung. Diesmal versuchen wir uns ohne Umkehren durchzuschlagen, wissen aber bald gar nicht mehr, wo es weitergehen soll. Ein Taxifahrer gibt Kordula schließlich Auskunft. Bis wir danach endlich wieder auf der Bundesstraße sind, haben wir dank eines Staus in einer Seitenstraße eine gute halbe Stunde und jede Menge Nerven verloren.

Der Rest der Fahrt verläuft unproblematisch. Ãœber langgestreckte, einsame Straßen durch dicht bestandene Wälder, die ein wenig an Schweden erinnern, erreichen wir gegen 15.00 Uhr Fürstenberg. Geschafft! Wir sind an der Mecklenburgischen Seenplatte. Doch so richtig will noch keine Urlaubsstimmung aufkommen. Das graue Wetter lässt das Städtchen nicht gerade in einem einladenden Licht erscheinen. Wir parken unser Auto auf dem Marktplatz und lösen an dem Automaten einen Parkschein für zwei Stunden — das kostet hier nur einen Euro, ein richtiges Schnäppchen also, bei dem man sofort zuschlagen muss. Außerdem habe ich es nicht kleiner und der Automat gibt kein Wechselgeld. Dann beginnen wir unsere Suche nach einem hübschen Plätzchen, wo man etwas essen kann. An der Südseite des Platzes bieten ein paar Restaurants Plätze im Freien an, wo sich auch schon ein paar Fahrradwanderer eingefunden haben. Fast ist es ein beruhigendes Gefühl zu sehen, dass es hier noch mehr Touristen gibt. Doch zu ihnen gesellen wollen wir uns bei dem grauen Wetter nicht. Wir folgen einem Wegweiser, der uns ein paar Gassen weiter zum "Fürstenhof" leitet. "Hier kocht der Chef, treten Sie trotzdem ein" verkündet ein Schild neben dem Eingang. Von außen wirkt der Laden ein wenig vornehm spießig, doch das Angebot auf der ausgehängten Speisekarte lässt uns dann doch eintreten. Von innen entpuppt sich das ganze dann schließlich als nahezu kitschig. Ein künstlicher Baumstamm wächst aus dem Boden in die Decke, von einer Lichtschlange umwickelt, die der Wirt, der den Laden hier an diesem Tag ganz alleine zu schmeißen scheint, wenig später auch erleuchten lässt. Wir bestellen uns Steak mit Pfifferlingen und Schnitzel. Während wir essen, setzt draußen der Nieselregen ein. Die schlechten Prophezeiungen beszüglich des Wetters aus dem Internet, die ich mir die letzen eineinhalb Wochen fast täglich reingezogen haben, scheinen sich also zu bewahrheiten. Beim Bezahlen offenbart mir der Wirt, dass er meint mich von irgendwoher zu kennen. Da Fernsehen nicht in Frage kommt und ich mich seit 15 Jahren in dieser Ecke Deutschlands nicht mehr herumgetrieben habe, denke ich, dass er mich wohl verwechselt. Im Nieselregen tappen wir zurück zu unserem Auto. Die zwei Stunden sind zwar noch nicht um, doch so richtig hält uns hier nichts. Urlaub fühlt sich anders an.

Immerhin, nachdem wir losgefahren sind hört der Regen bald wieder auf. Wir fahren weiter nordwärts, passieren Neustrelitz auf der Umgehungsstraße und wechseln auf die L193. Bei Adamsdorf zweigt ein Sträßchen links ab. Kurz darauf befinden wir uns innerhalb des Müritz-Nationalparks. Die Piste, eine Ansammlung von Betonplatten, die man in großzügigem Abstand voneinander in den Sand geschmissen hat, vermittelt nun immerhin einen Anflug von Freiheit-und-Abenteuer-Feeling. Am Ortseingang von Kratzeburg schickt uns ein weiteres Schild nach links unter der Bahnlinie Neustrelitz-Waren hindurch. Über ein kleines Sträßchen erreichen wir gegen 17.00 Uhr den Campingplatz Naturfreund am Käbelicksee. Bedauerlich nur, dass wir unser Hörbuch nun an einer so spannenden Stelle abwürgen müssen. 15,00 Euro müssen wir berappen, Duschen exklusive. Das Auto können wir zwar während unserer Paddeltour hier für 2,50 Euro pro Tag stehen lassen, aber der öffentliche Parkplatz am wenige hundert Meter entfernten Badeplatz, an dem wir zuvor vorbeigefahren sind, scheint nicht so sehr für Autoaufbrüche bekannt zu sein, als dass der Rezeptionist uns unbedingt zu dieser Investition raten wollte. Wir suchen uns ein von Bäumen beschattetes Plätzchen am See, wo wir unser Zelt aufbauen. Dann beschäftigen wir uns mit dem Aufbau von Faltboot "Lisa", die vor ihrem dritten großen Wasserwandereinsatz unter unserem Kommando steht.

Später erkunden wir Kratzeburg. Zu Fuß latschen wir zurück bis zur Bahnlinie, der wir dann seeseitig in der Annahme folgen, auf diesem Weg den Ortskern zu erreichen. Leider stellt sich bald heraus, dass der Ort komplett auf der anderen Seite des Bahndamms liegt — nicht gerade schön für die Einwohner Kratzeburgs, zumal die nächste Unterführung erst auftaucht, nachdem man einmal komplett an dem Dorf vorbeigelatscht ist. Endlich auf der anderen Seite des Bahndamms, marschieren wir durch den Ort zurück. Die wenigen Bürgersteige entlang der Dorfstraße machen einen überflüssigen Eindruck. Zumindest an diesem Abend findet das Kratzeburger Leben innerhalb der eigenen vier Wände statt. Immerhin erweist sich die kleine Dorfkirche mit Fachwerkmauern und Holzdachstuhl auch für Nicht-Kirchen-Fans wie mich als absolute Augenweide, auch wenn sie an diesem Abend nur von außen zu bestaunen ist. Zwar unterrichtet uns ein Schild darüber, bei wem im Dorf wir zu klingeln haben, wenn wir auch das Innenleben des Gebäudes unter die Lupe nehmen wollen, doch um diese Uhrzeit würden wir uns damit wahrscheinlich keine Freunde unter der angegebenen Adresse machen. Ein kaum 30 Zentimeter breites Bächlein mit dem großen Namen "Havel" fällt uns noch ins Auge. Von hier aus kann man zu den Quellteichen des Gewässers wandern, den wir vom nächsten Tage an flussabwärts erforschen wollen. Außerdem eine große Mietskaserne, die eignetlich eher in eine Großstadt passen würde. Zwischen den kleinen Häuschen Kratzeburgs nimmt es sich jedenfalls mehr als seltsam aus.

Wir pilgern zurück zu unserem Campingplatz. Der Abend dämmert, aus grau wird dunkelgrau. Eigentlich müsste jetzt Herbst sein. Die umliegende Landschaft würde einen in eine großartig tiefgehende Melancholie versetzen. Doch wir wollen Sommerurlaub haben. Naja, vielleicht morgen ...

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