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Ein Tag in Rheinsberg


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Di, 22. Juli 2008]

Dies ist also auf unserer Kreuzfahrt über die Mecklenburgische Seenplatte unser zweiter Landausflugstag — nach Neustrelitz, nun Rheinsberg. Ein wenig Bedenken haben wir schon, dass dieser Tag vielleicht nicht ganz so viel hergibt, nachdem wir am gestrigen Abend das Gefühl hatten, bei unserem Kurzbesuch das meiste an Sehenswertem in Rheinsberg schon gesehen zu haben. Nun ja, vielleicht können wir uns ja mal das Innere des Schlosses anschauen, oder so. Für die Festlegung des Abendprogramms sorgt Kordula, als sie beim Brötchenkauf an der Rezeption schon einmal den Grill reserviert, den man sich hier ausleihen kann.

Frohen Mutes nehmen wir das Frühstück auf, das heute inmitten einer illustren Runde im Pavillon stattfindet. Neben den Mitgliedern der Berlinernden Großfamilie sind auch Andy Borg und sein Kumpel mit von der Partie — beides unüberhörbar Hessen. Eine muntere Flachserei kommt in Gang.

Nebenbei versuchen wir den weiteren Verlauf unserer Paddeltour zu planen. Uns ist klar, dass wir zumindest bis Fürstenberg kommen wollen, von wo aus wir bequem mit der Bahn nach Kratzeburg zurück zu unserem Auto kämen. Jenseits von Fürstenberg wird es schwierig. Die Bahnstrecke zwischen Lychen und Fürstenberg ist stillgelegt und dient nur noch als Draisinenstrecke, so dass Lychen als Ziel der Tour ausscheidet. Das dahinter liegende Feldberg wäre vielleicht eine Alternative, doch dazu müssten wir irgendwie das Küstrinchen, einen kleinen östlich von Lychen gelegenen, 6 km langen Bach, der nur stromabwärts in Richtung Westen befahren werden darf, überwinden — ein Detail, das mir bei der groben Urlaubsplanung zu Hause entgangen ist. Der dafür womöglich in Frage kommende Bootsshuttle verkehrt nur bei extrem niedrigen Wasserständen, von denen nach den Regenfällen der zurückliegenden Woche nicht auszugehen ist. Der Großfamilienpapa meint zwar, man könne den Bach auch stromaufwärts befahren, er habe das vor vielen Jahren auch schon gemacht, aber so ganz trauen wir dem Braten nicht. Wir vertagen sämtliche Beschlüsse, die mit der weiteren Tourenplanung zusammenhängt, im Vertrauen darauf, dass wir uns im Laufe des Tages am Bahnhof in Rheinsberg mit weiteren Informationen zu den regionalen Bus- und Bahnverkehrsmöglichkeiten als Planungsgrundlage versorgen können.

Nachdem wir unseren Tagesrucksack geschnürt haben, machen wir uns wieder zu Fuß auf den Weg nach Rheinsberg. Auch wenn wir die Strecke nun schon kennen, kommt sie uns deswegen keineswegs kürzer vor. Wenigstens verschont uns das Wetter fürs erste mit seinen neckischen Überraschungen und gönnt uns sogar den ein oder anderen Sonnenstrahl. Endlich erreichen wir den Schlosspark und durchqueren ihn in Richtung Stadt, nicht ohne zwischendurch eine der Parkbänke einem Bequemlichkeitstest zu unterziehen. Wie so oft an derartigen Bummeltagen wirkt die Schwerkraft heute wieder ganz besonders intensiv auf mich ein, und da auch bald schon wieder der erste Hunger hinzukommt, sitzen wir wenig später am Markt unweit des Schlosses schon auf der nächsten Bank, verdrücken einen Apfel und blinzeln in die kräftiger werdende Sonne.

Das obligatorische Abklappern der diversen Läden in der näheren Umgebung hinterlässt in mir keine nennenswerte Erinnerung. Irgendwann bummeln wir die nördlich vom Stadtzentrum wegführende Uferpromenade entlang, entdecken den Ruderclub, bei dem wir hätten anlegen können, wenn wir mit dem Faltboot in die Stadt gepaddelt wären, kehren über eine der Hauptstraßen zum Markt zurück und schleppen uns schließlich mit letzter Kraft zum Café-Restaurant Seepavillon in der Nähe des Ausflugsschiffsanlegers. Kordula bestellt sich Cappuccino und eine Himbeer-Käsesahnetorte, wodurch ich mich leider von meinem Vorsatz einen Eiskaffee zu ordern abbringen lasse und ebenfalls einen Cappuccino und eine Weiße-Schokoladen-Torte bestelle. Die Eiskaffees, die kurz darauf, zu den Gästen der Nachbartische geschleppt werden, sehen nämlich unglaublich verführerisch aus. Mein Tortenstück erweist sich zwar als durchaus lecker, aber meinen Neid auf die Leute an den Nebentischen kann sie dann doch nicht wirklich stillen.

Als wir das Café-Restaurant verlassen, ist es schon fast 16.00 Uhr. Wir machen uns auf den Weg zum Bahnhof. Es ist ein Kopfbahnhof, dessen Gleise in Rheinsberg enden und der ein ganzes Stück vom Stadtzentrum entfernt liegt. Leider machen wir den Weg umsonst. Ein Bahnschalter ist in dem halbzerfallenen und abgesperrten Gebäude nicht in Betrieb, und am Bahnsteig findet sich lediglich ein Ticketautomat für den Regionalverkehr, der nicht in der Lage ist Zugverbindungen auszugeben. Wie die Bahn in Rheinsberg an Kunden kommt, die nach Hamburg oder München reisen wollen, bleibt uns ein Rätsel. Schwer vorstellbar, dass die Rheinsberger alle über Internet verfügen.

Enttäuscht treten wir den Rückzug an, machen jedoch zunächst noch einen Abstecher in den neben dem Bahnfof gelegenen Lidl, um etwas zu trinken zu kaufen. Ich entscheide mich für eine Flasche Cola-Berry, und Kordula verzichtet leichtsinnigerweise auf ein Veto. Ich finde, dass das Zeug ziemlich künstlich schmeckt. Kordula findet, dass es absolut widerlich schmeckt. Aber ganz allein überlässt sie mir die Flasche deshalb nicht.

Vor dem Lidl stoßen wir dann auf ein Punker-Pärchen, das wir heute morgen noch auf unserem Campingplatz gesehen haben. Dort traten sie recht verpennt auf, worauf der Großfamilienpapa schon gemeint hatte, dass sie wohl am Vorabend ein bisschen zu tief in die Flasche geguckt hätten. Auch sie haben sich offenbar gerade beim Lidl mit Flüssignahrung versorgt. Zumindest sind sie gerade dabei neben ihren Rucksäcken auf dem Bürgersteig sitzend einen Sixpack zu zerpflücken — auch einer Art, Urlaub zu machen. Wir grüßem sie kurz und machen uns wieder auf den Weg ins Ortszentrum.

Nachdem wir einem recht großen Töpferladen einen Besuch abgestattet haben, finden wir in einem Souvenirgeschäft nebenan ein Mitbringsel für Hermann, den Freund von Kordulas Schwester, einen Bierkrug mit seinem Namenszug darauf. Leider total überteuert, doch die Charakterbeschreibung, die unter dem Namenszug steht, ist so treffend, dass wir das Ding nicht dort lassen können.

Zurück am Markt zieht Kordula uns in das kleine Touristeninformationsbüro neben dem Schloss, weil sie meint, dort könnten wir vielleicht an ein paar Zug- und Busverbindungen kommen. Tatsächlich geht die freundliche Frau hinter dem Schreibtisch auf unser Bedürnis ein. Bereitwillig bemüht sie die Internetseite der Deutschen Bahn und versorgt uns mit Busverbindungen zwischen Lychen und Fürstenberg, sowie Fürstenberg und Feldberg. Die Länge der Busfahrten für die vergleichsweise kurzen Strecken sind wenig erbaulich. Immerhin haben wir uns aber nun noch die Option eröffnet, unsere Tour in Fürstenberg zu unterbrechen, mit der Bahn nach Kratzeburg zu fahren, dort das Auto abzuholen, dann mit Sack und Pack im Auto nach Feldberg zu fahren und von dort aus in drei Tagesetappen zurück nach Fürstenberg zu paddeln, von wo aus wir wiederum mit dem Bus nach Feldberg fahren könnten, um erneut das Auto nachzuholen. Nebenbei erfahren wir noch, wo sich eine Postfiliale befindet, in der wir an Bargeld kommen können. Die Hauptpost in der Stadtmitte, an der wir bereits vorbei gekommen sind, befindet sich nämlich in einem ähnlichen Stadium wie das Bahnhofsgebäude.

Zufrieden ziehen wir von dannen, um unsere letzte Mission in der Stadt zu erfüllen. Die Postfiliale befindet sich im Foyer einen Edeka-Marktes, von dem uns noch einmal ein gut zehnminütiger Fußmarsch trennt. Einen Teil des Bargelds, das wir am Postschalter abheben, geben wir im Edeka direkt wieder für Grillfleisch, Grillkartoffeln, Grillkäse, Flensburger Pils, Müsli, Müsliriegel, etwas Gemüse, Äpfel und Joghurt aus. Derart gut für den Abend ausgestattet machen wir uns auf den Rückweg zum Campingplatz, passieren das Schloss, dessen Innenleben wir — Kulturbanausen wie wir sind — jetzt doch nicht mehr inspiziert haben, wobei wir zumindest noch einmal einen Abstecher in den dortigen Souvenirladen machen, schlendern durch den schönen Schlosspark und tauchen bei dem Obelisken gegenüber des Schlosses wieder in den Waldweg Richtung Warenthin ein.

Als wir endlich wieder vor unserem Zelt sitzen, sind wir vom vielen Laufen an diesem Tag recht müde. Das Grillen lassen wir deswegen aber nicht ausfallen. Wir holen den gebuchten Grill mitsamt Kohle an der Rezeption ab und schon bald hüllen wir die Umgebung unseres Zeltes in dichte Rauchschwaden. Natürlich haben wir wieder viel zu viel Grillgut eiingekauft. Trotzdem lassen wir an diesem Abend nichts übrig.

Nebenbei kommen wir noch einmal mit den Mitgliedern der Großfamilie ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass sie hier aus Rheinsberg kommen und hier ohne Mama ein paar Tage Urlaub machen, so dass die zu Hause Ruhe hat, wenn sie zur Arbeit muss. Auch für die Großfamilie ist diese der letzte Abend hier auf dem Campingplatz und sie nutzen ihn noch einmal aus, um mit ihrer Segeljolle, die hier vor Anker liegtauf den See hinauszufahren.

Auch uns ergreift noch einmal die Paddellust. Und als die Dämmerung langsam hereinzubrechen beginnt, schieben wir unser Faltboot hinaus aufs Wasser des Rheinsberger Sees. Das Wasser ist spiegelglatt, kein Vergleich zu der brodelnden Brühe des Vortages, als wir hier angekommen sind. Wir drehen eine gemütliche Runde um die Remus-Insel in der Mitte des Sees, betrachten die Lichter an den fernen Ufern, genießen die Weite und die eigentümliche Stille über der Wasseroberfläche. Lediglich Kordulas Rückenlehne trübt die Stimmung ein wenig. Nachdem am zweiten Paddeltag die Nut abgebrochen ist, die die Lehne am Süllrand des Bootes fixiert, hat sie bei voll beladenem Boot recht gut gehalten. Nun jedoch kracht sie schon bei der geringsten Bewegung von Kordula herunter — ob wir damit durch den Rest dieses Urlaubs kommen?

Als wir wieder am Strand unseres Campingplatzes anlanden ist die Dämmerung der Dunkelheit der Nacht gewichen. Wir tragen "Lisa" zurück zu unserem Lager und machen es uns schließlich in unserem Zelt gemütlich. Die Abspannschnüre unseres Sonnensegels bleiben an diesem Abend unbehelligt.

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