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Im Müritz-Nationalpark


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Sa, 26. Juli 2008]

Kordula startet etwas verschlafen in den neuen Tag. Mitten in der Nacht ist sie durch die Jugendlichen geweckt worden, die laut lachend und rülpsend vom Strandbad in ihre in unserer Nachbarschaft gelegenen Zelte umgezogen sind. Die Platz-Security hat sich wohl zu sehr damit verausgabt, über das Badelatschengebot für die Waschraumbenutzer zu wachen, als dass sie sich dem auch noch hätte widmen können. Auch an diesem Morgen ist der Campingplatz keine Idylle. Aus einer Ecke des Platzes erschallt laute Ballermann-Musik, und das Lied "Wenn ich Dich seh, dann denk ich an mein Auto ..." werde ich den halben Tag nicht aus meinem Kopf herauskriegen.

Am Kiosk müssen wir uns in eine lange Schlange einreihen, ehe wir zu unseren Brötchen kommen. Nebenbei suchen wir gleich noch eine Fahrradwanderkarte über das Gebiet der Großen Müritz aus. Wir frühstücken, packen ein paar Sachen zusammen — vor allem Essen und Trinken — und schwingen uns auf die Fahrräder. Der Himmel ist frei von Wolken und es ist angenehm warm.

Unsere Tour haben wir nur sehr grob geplant. Wir wollen in den Nationalpark und dabei sehen, wie weit wir kommen. Wie schon gestern abend verlassen wir den Campingplatz durch den Ausgang zum Strandbad, nur dass wir uns dieses Mal in Richtung Süden wenden. Trotz des vielen Sandes sind die Wege einigermaßen befahrbar. Rekordgeschwindigkeiten bekommen wir allerdings nicht zustande. Dafür sorgen alleine schon die Fahrräder. Dabei bin ich mit meinen sieben Gängen gegenüber Kordula mit ihren dreien noch eindeutig im Vorteil.

Unser erstes Ziel ist die Schnakenburg, ein Aussichtspunkt unweit des Ufers der Großen Müritz. Über einen Bohlenweg durchquert man dichtes Schilf, ehe man über eine Treppe in den überdachten Ausguck hochsteigt. Alleine sind wir nicht, denn als wir an der Treppe ankommen hat sich bereits eine geführte Gruppe in den Stand hineingequetscht. Wir müssen erst ein wenig warten, bis die Menschentraube die Stiege wieder hinabgeklettert und über den Bohlenweg verschwunden ist. Spektakuläres gibt es dort oben nicht zu sehen. Anstelle von Wasservögeln tummeln sich etliche Boote in unserem Sichtfeld. Der Bereich, wo ein breiter Streifen entlang des Ufers für Wasserfahrzeuge aller Art gesperrt ist, nimmt hier erst seinen Anfag und erstreckt sich dann nach Süden. Warum man den Beobachtungsstand dann nicht weiter südlich errichtet hat, ist für uns nicht erklärlich.

Wir setzen unseren Weg fort. Anhand der Karte entscheiden wir ein Stück von der Müritz weg in Richtung Osten und dann weiter nach Süden zu fahren. Dort wollen wir am Warnker See den nächsten Aussichtspunkt, mitnehmen. Der Weg wird etwas holpriger. Auf zwei schmalen Fahrstreifen, die durch eine Grasnarbe getrennt werden, rollen wir vorwärts. Dann müssen wir eine weitere geführte Gruppe, die überwiegend aus älteren Herrschaften besteht, überholen — gar nicht so einfach auf diesem Weg. Am Abzweig zum nächsten Beobachtungsstand stellen wir unsere Räder ab und gehen das letzte Stück zu Fuß. Zunächst sind wir in dem Stand alleine. Allzu lange haben wir jedoch nicht die Ruhe, um die Szenerie zu bewundern. Dann fällt die Gruppe der älteren Herren in den Stand ein, die wir eben noch auf dem engen Weg überholt haben. Wir quetschen uns brav in eine Ecke in der Nähe des Ausgangs und lauschen, was der Gruppenführer zu erzählen hat. Immerhin erfahren wir, dass die vereinzelten toten Bäume am Ufer des Sees davon resultieren, dass sie von den Komoranen zugekotet werden und deren Kot derart aggressiv ist, dass die Bäume eingehen. Dann gibt er irgendeine Story zum Besten, wie die Fischer die Komorane mit Lasertechnik vertreiben könnten, ähnlich wie man das mit Piraten auf hoher See machen kann. Das hört sich nach wenig fundiertem Halbwissen an — das Signal für uns weiterzuziehen.

An der nächsten Abzweigung müssen wir uns erst einmal orientieren, um die verschiedenen Wege mit dem zur Deckung zu bringen, was auf unserer Karte eingezeichnet ist. Eine Familie, die uns entgegenkommt, hilft uns weiter. Wir wollen dorthin, wo sie herkommen. Praktischerweise wollen sie dorthin, wo wir herkommen. Wir folgen unserem Weg und ignorieren eine kleine Abzweigung nach rechts, was sich in der Folge als fataler Fehler erweisen soll. Bald befinden wir uns auf einer sterbenslangweiligen Piste, die einer Hochspannungsleitung folgend, kerzengeradeaus durch den Wald führt. Noch sind wir jedoch überzeugt, uns auf dem richtigen Weg zu befinden. Dies ändert sich an der nächsten Kreuzung. Eine befestigte Straße führt von rechts nach links und hat auf unserem Weg laut Karte rein gar nichts zu suchen. Ein Pärchen, das hinter uns hergeradelt kommt, und ebenfalls hier strandet, ist genauso ratlos. Als sie uns eine Frage stellen, verstehe ich sie zunächst nicht, und antworte auf Englisch, weil ich denke, es handelt es sich um ausländische Touristen. So tauschen wir uns erst eine Weile in Englisch aus, ehe wir unseren Irrtum bemerken. Leider hilft uns ihre Karte auch nicht weiter. Die beiden setzen ihren Weg über die Piste entlang der Hochspannungsleitung fort, und wir beschließen nach einer Weile, ihnen zu folgen. Der Weg wird schlechter, macht irgendwann einen weiten Bogen nach rechts und endet schließlich wieder an der befestigten Straße von eben. Völlig desorientiert folgen wir ihr — wenigstens schont man hier ein wenig sein Sitzfleisch. Wir lassen den Wald hinter uns und kommen an weiten Feldern vorbei. Als in der ferne Häuser auftauchen, sind wir sehr gespannt, wo wir nun landen werden. Unsere Ãœberraschung ist groß, als wir ein Ortsschild mit der Aufschrift Federow passieren. Das liegt nun wirklich ganz woanders, als dort, wo wir eigentlich hinwollten. Mit Hilfe der Karte gelingt es uns aber nun wenigstens noch zu rekonstruieren, wo wir falsch gefahren sind.

Immerhin ist das Dörfchen so einladend, dass wir nun unsere Mittagsrast hier genießen können. Wir radeln zu der kleinen Kirche, die eine kleine Berühmtheit zu sein scheint, ist es doch die erste und einzige Hörspielkirche in Deutschland. Eine pfiffige Idee, die das scheinbar schon dem Verfall anheim gegebene Gemäuer zu neuem Leben erweckt hat. Zu bestimmten Zeiten kann man in seinem Inneren verschiedenen Hörspielproduktionen lauschen. Das Programm hört sich vielseitig und interessant an. Jetzt gibt es aber lediglich ruhige Musik zu hören, bei der man in dem Verkaufsstand mit den angebotenen Hörbuch-CDs stöbern kann. Wir streifen eine ganze Weile in der Kirche herum, dann zieht es uns wieder nach draußen in die Sonne, wo wir uns auf dem Rasen vor der Kirche ein paar unserer mitgebrachten Brötchen gönnen und den Fortgang unseres Fahrradausflugs planen. Wir beschließen Schwarzenhof anzusteuern und danach zu entscheiden, ob und wo wir weiterfahren.

Als wir Federow verlassen, bemerken wir unweit der Straße einen weiteren Beobachtungsstand. In einer hohe Bretterwand hat man Fenster ausgeschnitten, von denen wir auf eine Reihe von Hochspannungsmasten blicken. Auf der Spitze des einen Masten befindet sich ein Fischadler-Nest. Der aufwändige Bretterverschlag ist von daher bemerkenswert, dass man, sobald man die Straße wenige Dutzend Meter weiter fährt, freie Sicht auf das Nest und die Insassen des Nests freie Sicht auf die Straße, mit allem was dort entlangfährt, haben. Das lässt vermuten, dass der Sinn zumindest dieses Beobachtungsstandes ein rein touristischer ist.

Der Weg nach Schwarzenhof führt uns wieder in den Wald hinein, was angesichts der inzwischen herrschenden Temperaturen nicht von Nachteil ist. Der Fahrradweg folgt dem Verlauf der Straße, die nie außer Sichtweite kommt, und ist ganz gut zu befahren. Schließlich gelangen wir nach Schwarzenhof. Ein Schild weist auf ein Ausflugslokal hin, das Hotel-Restaurant Kranichrast. Die Richtung, die es anzeigt, ist allerdings so zweideutig, dass wir erst einmal in die falsche Gasse einbiegen. Nachdem wir zur Hauptstraße zurückfahren und dieser bis zum Ortsende folgen, werden wir fündig. Das Lokal erinnert in fast allem an Stätten, die man bei Ausflügen in seiner Kindheit kennengelernt hat. Wir lassen uns auf der Terasse nieder und bestellen bei dem freundlichen Kellner einen Früchteeisbecher und einen Eiscafé. Die Früchte des Eisbechers kommen aus der Dose, aber das war zu befürchten. Lästiger sind da schon die unzähligen Vespen, die uns umschwirren und uns den Aufenthalt zu verleiden versuchen. Dann geht Kordula zu den Toiletten. Bei der Gelegenheit will sie auch gleich unsere Trinkwasserflasche auffüllen, die wir angesichts der Hitze längst geleert haben. Leider ist das Ding zu groß, um es in dem kleinen Waschbecken unter den Hahn halten zu können. Als sie daraufhin freundlich an der Theke fragt, ob man ihr die Flasche auffüllen könnte, wird sie von einer Kellnerin unfreundlich abgewiesen, das Personal dürfe kein Wasser herausgeben. Kordula kommt wieder auf die Terasse heraus und ist schon fast am heulen — weniger wegen des Umstands, dass wir jetzt ohne Wasser weiter müssen, als vielmehr aus Wut, dass sie sich als zahlender Gast des Lokals wie ein bettelnder Landstreicher behandeln lassen muss. Als wir zahlen, verweigere ich dem freundlichen Kellner das Trinkgeld mit dem Hinweis, das müsse er sich bei seiner Kollegin abholen. Als er erstaunt nachfragt, schildern wir ihm den Vorfall. Er zuckt die Achseln und bestätigt, dass es dieses Verbot des Wasserausgebens wirklich gibt und dies hier auch gar nicht so unüblich ist. Traurig genug aus unserer Sicht, aber wenn schon so eine gastunfreundliche Regel, dann muss man sie wenigstens besser verkaufen.

Wir erinnern uns an ein kleines Kiosk am Ortseingang. Dahin radeln wir zurück und kaufen zwei Flaschen Apfelsaftschorle. Dann radeln wir weiter. In dem Ausflugslokal haben wir uns entschieden, allmählich wieder Kurs auf unseren Campingplatz zu nehmen. Allerdings nehmen wir nicht den gleichen Weg zurück, sondern biegen am Ortsende von Schwarzenhof in einen rechts abzweigenden Fahrradweg ein, der uns wieder in Richtung Große Müritz führt. Nach einigen Kilometern gelangen wir an einen Beobachtungsstand, an dem wir am Morgen schon vorbeigekommen wären, wenn wir uns nicht verfahren hätten. Wir folgen einem Stichweg und stellen unsere Räder am Ende ab. Dann geht es über Bohlen weiter entlang eines Bachlaufs durch ein Stück Wald. Diese Stelle erkenne ich wieder. An diesem Stand bin ich in meinem Urlaub vor 15 Jahren schon gewesen. Ein weiteres Pärchen kommt mit seine Fahrrädern an. Sie sind vom selben Typ wie die unseren. Als wir sie scherzhaft darauf ansprechen, stellt sich aber heraus, dass sie sie in Federow geliehen haben. Scheinbar ist dort derselbe Verleiher aktiv, wie auf unserem Campingplatz. Bis auf das zweite Pärchen sind wir in dem Beobachtungsstand alleine. Wir studieren die Informationstafeln über Kraniche, die sich auf dem Rederangsee vor uns zu bestimmten Jahreszeiten sammeln, trinken von unserer Apfelsaftschorle und lassen den Blick über das Wasser schweifen. Es dauert eine ganze Weile, ehe wir uns zum Weiterfahren aufraffen können.

Den Rest der Strecke bringen wir zügig hinter uns. Sehr bald trifft der doch sehr holprige Fahrradweg, dem wir zuletzt gefolgt sind, wieder auf ein befestigtes Sträßchen. Dieses ist zwar landschaftlich nun nicht mehr sehr aufregend, aber mein Hintern freut sich inzwischen über jedes Schlagloch, in das ich nicht hineinfahre. Außerdem sind wir inzwischen auch müde und schon deshalb froh, die Tour etwas abkürzen zu können. Wir erreichen den Ortseingang von Waren, wo wir den uns nun schon vertrauten Weg entlang der Binnenmüritz zu unserem Campingplatz in Angriff nehmen. Kurz vor dem Ziel lädt uns eine Seebrücke mit Schiffsanleger noch einmal zu einer Pause ein. Bei dem schönen Sonnenwetter nehmen wir gerne an.

Zurück am Campingplatz müssen wir ersteinmal die Mietzeit unserer Fahrräder verlängern, die um 19.00 Uhr endet. Kordula handelt uns sogar zwei geschenkte Stunden heraus, so dass wir die Räder bis 21.00 Uhr des nächsten Tages behalten dürfen. Am liebsten hätten wir sie noch ein bisschen länger gehabt, um an unserem letzten Abend in Waren nicht ganz so früh am Campingplatz sein zu müssen, aber da der Kiosk um 22.00 Uhr schließt und eine wie immer geartete Rückgabe danach nicht möglich ist, gibt es in der Hinsicht wenig Verhandlungsspielraum.

Als wir uns einige Zeit später wieder auf die Räder schwingen, fühlt sich mein Hintern schon sehr zermartert an. Dabei haben wir inzwischen den nächsten Tag auch wieder mit einer Radtour verplant. Am liebsten wollen wir mit dem Fahrgastschiff nach Röbel, um dann mit den Rädern entlang des Westufers der Großen Müritz nach Waren zurück zu radeln. Ein Schiffsfahrplan am Campingplatz gibt uns ein paar vage Auskünfte über Abfahrtszeiten, die wir nun in der Stadt nochmal verifizeren wollen. Aber natürlich wollen wir in erster Linie etwas futtern. Wie am Vorabend stellen wir die Fahrräder am Hafen ab und ziehen los. Das Lokal in der Fußgängerzone, wo wir gestern schon Pech hatten, ist auch heute wieder voll. Doch Kordula ist ohnehin mehr nach Fisch zumute und so landen wir denn an einem kleinen Lokal namens Klabautermann, das sich selbst als Restaurant und Hafenkneipe bezeichnet. Dieses liegt unweit des Hafens direkt an einer Straßenbiegung vielleicht nicht ganz so schön wie andere Lokale der Stadt, aber im Außenbereich wird gerade einer der vier Tische frei — wenn das kein Zeichen ist. Kordula verliebt sich auf der Stelle in die Speisekarte, in der es vor Fischen aller Art nur so wimmelt, ich konzentriere mich lieber auf den kleineren Bereich der Steaks. Die einzige Kellnerin — zugleich Ehegattin des Kochs und Restaurantmitinhaberin — berät uns sehr freundlich und engagiert, woraufhin sich Kordula schließlich für das Welsfilet und damit einen heimischen Fisch entscheidet. Ich gebe mich mit dem Steak au four zufrieden. Köstritzer gibt es hier zwar nicht, dafür das mindestens genauso leckere Duckstein. Das Essen erweist sich als ganz außerordentlich hervorragend. Vor allem Kordula schwebt im siebten Fischhimmel, und als sie mich probieren lässt werde ich als Nicht-Fisch-Fan fast ein bisschen neidisch. Wir sparen nicht mit Lob, als die Kellnerin die Teller abräumt. Sie gibt uns dafür ein paar Einblicke in Fischfang und Transportzeiten und macht uns deutlich, dass wir derart frischen Fisch im Ruhrgebiet einfach nicht bekommen können. Zum Abschluss lassen wir uns noch zwei Klabautermännchen servieren — einen eisgekühlten Kräuterlikör, der ebenfalls sehr lecker schmeckt.

Nach so viel guter Magenzufuhr, müssen wir unseren Bauch erstmal spazieren führen. Wir klappern die Anleger der Fahrgastschiffe und die zugehörgen Informationstafeln ab. Ganz besonders interessieren wir uns für die Schiffahrtsgesellschaft Müritz-Wind, denn die lockt in unserem Kurgästepass mit zwei Kännchen Kaffe, dafür dass wir mit ihnen fahren. Tatsächlich fährt die am morgigen Sonntag mehrfach nach Röbel. Und für die erste Tour um 9.00 Uhr wird sogar ein Frühaufsteher-Rabatt versprochen, bei dem man nur 9,00 Euro statt der sonst fälligen 12,00 Euro zahlt. Damit ist die Sache für uns geritzt. Wir spazieren noch ein bisschen die Uferpromenade in Richtung Westen entlang und lassen uns am Rand eines Schiffsanlegers nieder, während über uns die Dämmerung hereinbricht. Danach spazieren wir zurück zu unseren Fahrrädern. Das Licht an meinem Rad habe ich zwischenzeitlich repariert bekommen — ein Wackelkontakt am Dynamo war das Problem —, so dass die Rückfahrt entlang des unbeleuchteten Radwegs zum Campingplatz dieses Mal etwas weniger Trance-mäßig ausfällt. Eine Begegnung mit der Security bleibt uns an diesem Abend auch erspart. Wie schon gestern schlüpfen wir direkt in unsere Schlafsäcke, schließlich dürfen wir morgen früh nicht verschlafen.

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