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Tour zum Gobenowsee


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Sa, 19. Juli 2008]

An diesem Morgen scheint uns das Wetter wohl gesonnen zu sein. Als wir aus unseren Schlafsäcken krabbeln, ist der Himmel über dem Campingplatz weitgehend blau. Wir schmeißen uns in unserer morgendliche Wasserwanderroutine: Brötchenkaufen am Laden neben dem Sanitärgebäude, wobei ich zugleich die Bierflaschen des Vortages loswerde — gemeinerweise auch die Flensburger Pullen mit dem Bügelverschluss, die hier gar nicht verkauft werden. Es folgen Frühstück, Spülen, Zeltabbau und Packen. An der Rezeption machen wir unsere Duschkarte wieder zu Bargeld - gerade mal 1,90 Euro haben wir verduscht. Dann hieven wir unser Boot auf den Wagen und schieben es zu der Einstiegsstelle am Woblitzsee.

Die Überquerung des Sees liefert uns einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns an diesem Tag noch bevorstehen soll. Ein kräftiger Gegenwind bremst versucht uns auszubremsen. Immerhin ist es trocken, auch wenn das Wetter von sommerlichen Verhältnissen weit entfernt ist. Wir queren den See an einer etwas engeren Stelle westlich des Campingplatzes, wobei wir eine gekennzeichnete Wasserski-Route passieren. Dann paddeln wir weiter in Richtung Wesenberg. Unweit der Stadt fahren wir in die Havel hinein. Nachdem wir unter einer Straßenbrücke hindurch gepaddelt sind, passieren wir den einladend wirkenden Campingplatz Kanumühle und erreichen bald die Schleuse Wesenberg, wo sich schon eine Reihe wartender Paddler gebildet hat. Hier sehen wir die Frau mit den drei Jungs wieder, die vorgestern neben uns auf dem Campingplatz in Groß Quassow unter den Bäumen gezeltet hat. Sie erzählt uns, sie seien am Vortag nur über den Woblitzsee und bis zum Campingplatz Kanumühle gekommen.

Ein paar hundert Meter hinter der Schleuse teilt sich das Paddlerpulk. Während die einen geradeaus weiter Richtung Priepert paddeln, biegen die anderen rechts in Richtung Schwanhavel, ab — laut meinem Kanuwanderführer einer der schönsten Gewässerabschnitte der Mecklenburgischen Seenplatte. Nachdem wir uns kurz von einem gesperrten Seitenarm verwirren lassen, finden wir schließlich den Weg hinein in das enge Fließ. Man fühlt sich wie in einem Urwald. Die dichte Vegetation und der stark gewundene Lauf des Gewässers erlauben einem kaum einmal mehr als dreißig Meter Sichtweite. Das macht es schwierig, die Idylle einigermaßen ansprechend auf Celluloid zu verewigen. Auch der ständige Gegenverkehr, der einen immer wieder zu Ausweichmanövern zwingt, und die nachfolgenden Boote, die vielleicht gerne überholen würden, jedoch keinen Platz dafür finden, lassen auf diesem ersten Abschnitt der Schwanhavel kaum Momente zu, in denen man einmal in Ruhe den Fotoapparat zücken könnte. Schließlich wird das Fließ etwas breiter, jedoch auch geradliniger und damit langweiliger — jetzt muss ich auch kein Foto mehr machen. Statt dessen gönnen wir uns in dem ruhig dahindümpelnden Boot einen Apfel.

Als wir unsere Paddel wieder in die Hände nehmen, haben wir für den Rest der Strecke ein Boot mit einem Mann und seiner kleinen Tochter hinter uns, die sich eifrig ins Zeug legt. Für ihre Kräfte wird sie noch gute Verwendung finden, wie uns schwant, als sich Wald um uns herum allmählich zu lichten beginnt und den Blick auf das windgepeitschte Schilf entlang des Plätlinsee freigibt. Kurz darauf tanzt unser Faltboot auf den Wellen des Sees. Während unserer gemütlichen Fahrt durch den geschützten Wald hat der Wind Sturmstärke erreicht. Dummerweise kommt er genau aus Westen und bläst uns ins Gesicht. Wenigstens regnet es nicht. Aber mit Urlaubserholung hat das alles jetzt nicht mehr viel zu tun. Verzweifelt versuchen wir, das Boot auf Kurs zu halten. Die kleinste Pause lässt und zurück Richtung Ostufer driften, und so werden es quälende 3,5 km, die wir bewältigen müssen. Zwischendurch finden wir immerhin die Muse, uns mit dem Mann in dem Boot mit dem kleinen Mädchen zu unterhalten. Die Kleine kämpft ohne Murren und Klagen mit gegen den Sturm an. Der stolze Vater erzählt uns, dass seine zweite, ältere Tochter in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil von ihr ist. Eine ganze Weile gelingt es uns im Windschatten der vor uns liegenden Halbinsel zu paddeln, die den Hauptteil des Sees von der Bucht abtrennt, an der auch Wustrow liegt. Auf diese Weise verschaffen wir uns wenigestens für einige wenige hundert Meter ein wenig Erleichterung. Dann beginnt es unvermittelt zu regnen. Wir kramen unsere Spritzdecke hervor, brauchen aber ein Weilchen, bis alles richtig sitzt und eingehakt ist. Währenddessen paddelt der Papa mit seiner tapferen Leichtmatrosin schimpfend an uns vorbei, erarbeitet sich aber so einen beneidenswerten Vorsprung, der ihn schließlich auch etliche Paddelschläge vor uns am Strand des Wustrower Freibadgeländes ankommen lässt. Der Regen hat sich zum Glück als einzelner Schauer entpuppt, so gesehen hätten wir uns das Anbringen der Spritzdecke auch sparen können.

Während Papa und Tochter sich in Richtung des Ortsinneren verabschieden, um sich nach einer Gaststätte umzusehen, nehmen wir eine der überdachten Sitzgruppe in Beschlag, nachdem wir unser Boot an Lanf geschleppt haben. Während wir an unseren Brötchen mümmeln, versuchen wir anhand der Karte unseres Gewässerführers und der Beschreibungen im Kanuwanderführer herauszufinden, wo wir denn nun eigentlich genau gelandet sind und wo sich in Bezug zu unserem Standort die Umtragestelle zum Klenzsee und der dazu gehörende Kanuhof Wustrow befinden. Doch so richtig werden wir nicht schlau. Schließlich bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Fuß loszumarschieren, um zu klären, wo wir denn nun hinmüssen. In der Ortsmitte teilen wir uns. Kordula folgt einem Weg in Richtung Westen, um herauszufinden, ob man dort zum Klenzsee gelangt, ich folge der Hauptstraße noch ein Stück südwärts. Schließlich müssen wir erkennen, dass sich der Kanuhof und die Umtragestelle am Südende des Ortes befinden. Unser Pech, dass wir mit dem Boot am Nordende gelandet sind. Leider haben wir uns von der fehlerhaften Zeichnung der Karte des Gewässerführers zu diesem Irrtum verleiten lassen. Dort hat man nämlich eine von Wustrow aus in den See ragende Halbinsel schlicht unterschlagen, so dass wir gedacht hatten, es sei richtig, einfach auf den Ort zuzuhalten. Tatsächlich hätten wir uns südlich der Halbinsel halten müssen. Nach einigem Hin und Her, ob wir nun das Boot die ganze Strecke durch den Ort ziehen, oder es noch einmal auf den Plätlinsee hinausschieben sollen, entscheiden wir uns schließlich für Letzteres.

Wir kehren zurück zum Boot, wo wir uns von einer Surferin irritieren lassen, die scheinbar grundlos lachend am Ufer entlangläuft. Erst einige Zeit später landet ein zweiter Surfer an, der die Ursache dieses Heiterkeitsausbruchs zu sein scheint. Beruhigend, die Frau ist also wohl doch nicht verrückt. Wir machen unser Boot startklar und fahren wieder auf den Plätlinsee hinaus. Das Wetter hat sich mittlerweile etwas beruhigt. Auch der Wind hat wieder nachgelassen. So können wir die Wasserperspektive auf Wustrow wenigstens nachträglich noch etwas genießen. Keine zehn Minuten später ist die Fahrt dann schon wieder zu Ende. Wir haben die Halbinsel umrundet, ein paar hübsch angelegte Kleingärten passiert und befinden uns nun an der Umtragestelle zum Klenzssee. Hier ist auch wesentlich mehr Betrieb als am Badestrand, wo wir gerade herkommen. Scheinbar hatten die anderen Paddler hier besseres Kartenmaterial. Wir benutzen unseren eigenen Kanuwagen, um das Boot hinauf zur Straße zu ziehen und auf der anderen Seite wieder bergab Richtung Klenzsee rollen zu lassen. Kurz vor der stark frequentierten Einstiegsstelle befindet sich ein sehr belebter Wasserwanderrastplatz. Dort treffen wir ein weiteres Mal die Frau mit den drei Jungs — irgendwie nett, dass man denselben Leuten immer wieder begegnet.

Mit unserem Gepäck, das wir auf dem Heck des Faltbootes erst wieder richtig zurechtzurren müssen, nehmen wir an der nicht sehr großen Einstiegsstelle etwas mehr Zeit in Anspruch als die zahlreichen Tagesausflügler, so dass wir kurzzeitig für etwas Stau sorgen, ehe wir auf den Klenzsee hinausgleiten. Das Landschaftsbild, das sich uns hier plötzlich bietet, überrascht uns, da es so vollkommen von dem des Plätlinsees abweicht, den wir soeben hinter uns gelassen haben. Der an und für sich recht große Klenzsee besitzt an dieser Stelle so etwas wie einen recht kleinen Wurmfortsatz, auf dessen stillen, spiegelglatten Wassern prächtige Seerosen wuchern. Der urwaldartige Uferbewuchs tut sein übriges, um das Idyll zu vervollständigen — ein wunderbares kleines Paradies, an das nicht einmal die berühmte Schwanhavel herankommt.

Nach kurzer Zeit liegt dieses Juwel schon hinter uns. Durch einen kleinen, von hohen Bäumen umstandenen Kanal geht es auf die weitaus größere Wasserfläche des Klenzsees. Bei dem jetzt sehr viel schöneren und weniger windigen Wetter — auch die Sonne kommt nun wieder aus ihrer Wolkenburg hervorgekrochen — macht auch das wieder Spaß.

Kurze Zeit später kommt uns bei einer hübschen Ansammlung alter Bootshäuser eine größere Gruppe Kanuten mit mehreren Kanadiern entgegen und bittet uns um Hilfe. Sie wollen zur Diemitzer Schleuse, haben jedoch keine Karte. Als wir ihnen eröffnen, dass sie sich kurz vor Wustrow befinden, sind sie reichlich schockiert. Eifrig studieren sie unseren Gewässerführer, um zu erforschen, wo sie falsch abgebogen sind und wie weit sie jetzt zurückpaddeln müssen, um wieder auf die richtige Route zu gelangen. Gemeinsam mit ihnen treten wir den Weg in Richtung Westen an. An einer Verengung des Sees halten wir uns rechts und verlassen ihn schließlich unter einer Straßenbrücke hindurch in den langgestreckten Gobenowsee.

Nun trennen uns nur noch wenige Kilometer vom Campingplatz Seenwalde. Der nächste Campingplatz läge am Ende des Drosedower Beek, aber da es sich dabei um einen der hier recht zahlreichen FKK-Campingplätze handelt, müssen wir uns nicht wirklich den Kopf darüber zerbrechen, ob wir unsere Tagesetappe noch weiter in die Länge ziehen wollen. Also genießen wir das letzte Stück in der Sonne, ehe wir einen der Stege des Campingplatzes erreichen. Nachdem Kordula ausgestiegen ist, um uns anzumelden, paddle ich einen Steg weiter, wo sich eine bessere Stelle zum Entladen und Anlandziehen des Bootes befindet.

Der Platz entpuppt sich nicht gerade als Camperparadies für Wasserwanderer. Während die Wohnmobilurlauber auf hübschen, terassierten Hängen logieren, drängelt sich das Paddlervolk auf einem unter hohen Bäumen liegenden sandigen Platz unweit des Seeufers, wo man die gedeihenden Grashalme an den Fingern einer Hand abzählen kann. Wir suchen uns eine Stelle für unser Zelt aus, müssen aber bald erkennen, dass wir eine schlechte Wahl getroffen haben. Unsere unmittelbaren Nachbarn outen sich als absolute Grillamateure, als sie flaschenweise Spiritus in die nicht glühen wollenden Kohlen ihres Grills kippen. Die wenig hilfreichen Flammen schlagen zeitweise so hoch, dass wir überlegen, ob wir Angst um unser Zelt haben müssen. Immerhin bleibt es uns erspart, ihnen voll Neid beim Verzehren ihrer Steaks zusehen zu müssen, während wir eine unserer Tütensuppen löffeln müssen, denn noch ehe die Grillparty nebenan richtig ins Rollen kommt, kommt laut krähend der Hähnchengrillwagen angefahren, dessen Werbung Kordula bereits an einem Aushang in der Rezeption des Campingplatzes ausgemacht hat. Wild entschlossen hängen wir uns an seine bereiften Fersen und folgen ihm zu der Stelle, wo der Fahrer schließlich Halt macht und Einblick in die sinnliche Welt hinter seiner Ladeluke gewährt. In Windeseile hat sich eine beachtliche Schlange gebildet, in der wir uns artig einreihen. Bald darauf stapfen wir, jeder von uns mit einem halben Grillhähnchen und einem Stück Toastbrot ausgestattet, zurück zu unserem Zelt. In unmittelbarer Nähe befinden sich überdachte Tischgruppen, und an einer von ihnen lassen wir uns nieder, um zwischen den zahlreichen Klamotten, die hier jemand zum Trocknen unter das Dach gehängt hat, unsere Beute zu verschlingen.

Nachdem wir unser Hunger fürs erste gestillt ist, beschließen wir, ein wenig das Gelände zu inspizieren. Wir drehen eine kleine Runde über den Campingplatz, die uns zu dem kleinen Kaufladen am Rand des Platzes führt, der nicht an die Rezeption angeschlossen ist, der aber zu dieser Uhrzeit leider nicht mehr geöffnet hat. Der Rückweg führt uns entlang des Randes des angrenzenden Waldes und gewährt uns einen Blick auf die unheimlich anmutenden Bäumen, die hier wachsen, mit dünnen, langen Stämmen ohne jegliches Grün, die dicht an dicht gepflanzt sind.

Das Wetter, das sich während des Nachmittags so tapfer geschlagen hat, sorgt schließlich dafür, dass das Ende dieses Tages etwas im Sande verläuft. Kurz nach der Rückkehr zu unserem Zelt zieht ein ordentliches Gewitter vorbei und verwandelt unseren Zeltplatz in die von uns so innig geliebte Sandbreilandschaft, die wir nun ja schon zur Genüge kennen. Es ist dieser eine Regenschauer zu viel, der uns an diesem Abend aus der Bahn wirft. Wir liegen konsterniert in unserem Zelt und finden schließlich so gar keine Motivation mehr, noch etwas von der eigentlich so schönen Außenwelt mitzunehmen, selbst als der Regen längst wieder aufgehört hat. Statt dessen denken wir sehnsüchtig an andere Urlaube zurück, wo wir an lauen Sommerabenden auf den Balkonen und Terassen südeuropäischer Touristen-Paradiese Rotwein im Licht einer Kerze geschlürft haben — nichts ahnend, dass sich der Wettergott unserer sehr bald annehmen wird.

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