ZurückWeiter Home Druckansicht Kartenausschnitt vergrößert anzeigen
Radtour Röbel - Waren


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[So, 27. Juli 2008]

Die Nacht ist diesmal deutlich friedlicher gewesen als die letzte, so dass wir trotz der frühen Morgenstunde ausgeschlafen sind. Auch der Campingplatz ist noch friedlich, obgleich doch viel mehr Leute auf den Beinen sind, als ich es um diese Uhrzeit — es ist noch weit vor 8.00 Uhr — erwartet hätte. Unser Frühstück lassen wir mehr oder weniger ausfallen. Die Brötchen, die wir um 8.00 Uhr, als die Schlange noch nicht ganz so lang ist, am Kiosk holen, belegen wir mit dem, was wir zur Verfügung haben, und stecken sie in unseren Rucksack, den wir schon vorher gepackt haben. Dann schwingen wir uns auf die Fahrräder. Allzu großzügig ist unser Zeitfenster nicht ausgestattet. Die Fahrt in die Stadt verläuft — von meinem schmerzenden verlängerten Rückgrat abgesehen — nach Plan. Das Wetter zeigt sich abermals von seiner besten Seite — ideale Vorausetzungen also für eine kleine Große Müritz-Befahrung.

Am Hafen sind noch nicht sehr viele Menschen unterwegs. Allerdings treffen wir auf eine Gruppe von Fahrradfahrern, die an einem Schiffsanleger in der Nähe des Müritz-Wind-Büros warten. Da sie weit und breit die einzigen sind, die auf ein Schiff zu warten scheinen, gehen wir davon aus, dass sie mit demselben Kahn losschippern wollen wie wir, und gesellen uns zu ihnen. Schnell jedoch stellt sich heraus, dass die Gruppe eine andere Tour gebucht hat, so dass wir jetzt zu suchen beginnen müssen. Allzu viel Orientierung wird einem als Schiffahrtsgast hier nicht geboten. Wir fragen uns durch und werden schließlich an einen anderen Anleger verwiesen, wo tatsächlich auch noch zwei, drei Leute stehen. Die bestätigen uns, dass wir hier richtig sind.

Schließlich machen auch auf dem ankernden Schiff, der MS Fontane, ein paar Menschen Anstalten, den Kahn für eine Fahrt vorzubereiten. Zwei Männer nehmen unsere Fahrräder entgegen und hieven sie auf das Heck der Fahrgastkabine. Dann dürfen wir an Bord. Der Kapitän kassiert neben dem Frühaufsteherpreis noch 3,00 Euro pro Fahrrad und wirkt dabei ziemlich muffelig. Er werde während der Fahrt ein bisschen was erzählen, sagt er, aber erst nachdem wir in Klink angelegt hätten. Dort käme noch eine größere Gruppe an Bord, und er habe keine Lust, alles zweimal zu erzählen! Hört sich so an, als ob er eigentlich nicht zu den Frühaufstehern gehört. Auch sonst haben sich von dem Frühaufsteher-Angebot offenbar nicht viele Leute angesprochen gefühlt. Die wenigen Fahrgäste verlieren sich fast auf dem Deck.

Endlich geht die Fahrt los. Das Ablegen verpasse ich jedoch, weil ich meinen Morgentoilettengang noch nachholen muss. Wir verlassen Waren und tuckern an der Westküste der Binnenmüritz entlang. Bald taucht eine Bedienung auf, um Bestellungen entgegen zu nehmen. Freudig zücken wir unsere Gutscheine aus dem Gästepass, und bald schon haben wir zwei dampfende Kaffeepötte vor uns stehen. An uns machen die armen Müritz-Windler an diesem Morgen keinen großen Gewinn.

Bald haben wir die Binnenmüritz verlassen. Durch den schmaleren Seeabschnitt hindurch nähern wir uns dem größeren Teil des See und halten auf die nächste Anlegestelle zu. Dann sind wir in Klink, wo die größere Gruppe zusteigen soll. Doch von einer Gruppe ist weit und breit nichts zu sehen. Der mürrische Kapitän schickt eine seiner Angestellten den Steg entlang, weiß Gott wohin. Doch eine Gruppe kann auch sie nicht zusammentrommeln. Die wenigen Menschen, die sich am Ufer befinden, bleiben entweder an Land oder haben sich schon für die Konkurrenz entschieden. Schließlich bleibt dem Kapitän nichts anderes übrig, als die Fahrt ohne seine größere Gruppe fortzusetzen und seine Erläuterungen für die wenigen Passagiere, die in Waren zugestiegen sind, zum Besten zu geben. Je schlechter die Laune des Kapitäns zu sein scheint, desto besser ist meine. Er strampelt sich durch einen mäßig erfolgreichen Arbeitstag, ich genieße seinen Gratis-Kaffee, die Sonne, die auf sein Deck scheint, und seine mürrische Visage. Der Kapitän verbreitet sich ein wenig über Schloss Klink, ein nettes Gebäude im Renaissance-Stil, das wir gerade hinter uns lassen, und später über die Stadt Röbel, deren Geschichte und darüber, dass sie mit einer CD-Fabrik den größten Arbeitgeber der Region stellt. Alles andere vergesse ich bald wieder. Wir beobachten ein paar Schwimmer, die es scheinbar darauf anlegen die Müritz an einer Stelle zu durchqueren, wo sie sich noch nicht zu dem breiten Gewässer entwickelt hat, das sich inzwischen vor uns öffnet. Dann sind da nur noch die Sonne, das Wasser und das gleichmäßige Dröhnen des Schiffsmotors.

Die eineinhalbstündige Fahrt vergeht wie im Flug. Als wir in Röbel ankommen, macht sich die Besatzung nicht die Mühe, uns den Ausstieg besonders zu erleichtern. Wir müssen von der Reling an Land springen, was eigentlich eine Frechheit ist, uns aber nicht die Freude an diesem Tag verderben kann. Nachdem wir unsere Fahrräder entgegengenommen haben, bummeln wir durch das Städtchen. Auch hier herrscht noch weitgehend sonntagvormittägliche Ruhe. Erst in der Nähe des Freibades treffen wir auf etwas mehr Leben. Wir durchstöbern die Souvenirläden, ohne auf mehr als den üblichen Kitsch zu stoßen. Dann setzen wir unseren Weg entlang der Uferpromenade in Richtung Norden fort. Auf einer netten Parkbank, die uns in den Weg springt, müssen wir unbedingt noch eine Brötchenpause einlegen, bevor wir mit der eigentlichen Radtour beginnen. Dann radeln wir los.

Der erste Teil der Tour erweist sich nicht nur als gut befahrbar sondern auch noch als gut beschildert. Es scheint einen richtigen Seerundweg für Radfahrer zu geben, womit wir eigentlich gar nicht gerechnet haben. Dies hat den Vorteil, dass wir die Karte die meiste Zeit über stecken lassen können und uns gemütlich dahinradelnd auf die Schilder verlassen. Die Dörfer, an denen wir vorbeikommen, sind nicht allzu erwähnenswert. Sie fügen sich nett in das weitgehend von Wiesen und Feldern dominierte, leicht hügelige Landschaftsbild. Von Mecklenburgs Landseite haben wir so gesehen ja noch gar nicht soviel kennengelernt, so dass die Tour allein schon deshalb recht interessant ist. Teilweise entfernt sich der Radweg soweit von der Großen Müritz, das wir das Wasser überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Nachdem wir das Dörfchen Gotthun passiert haben, führt uns der Weg bald an eine Straße. Der Abschnitt, der danach kommt, ist jedoch noch unattraktiver. Auf einem engen, holprigen und sandigen Feldweg kommen uns immer wieder andere Radfahrer entgegen und zwingen uns zu Ausweichmanövern.

In Zierzow machen wir eine kleine Pause. Eine im Schatten liegende Bank zieht uns magisch an. Die Hitze beginnt allmählich ihren Tribut zu fordern. Außerdem haben wir gerade einen sehr anstrengenden weil sandigen Wegabschnitt hinter uns gebracht. Wir sind überrascht, wie viele Fahrradfahrer hier an uns vorbei ziehen. Die Route scheint ungeachtet des nicht immer optimalen Untergrunds auf jeden Fall recht beliebt zu sein. Ein Rennradlerpärchen fährt an uns vorbei in die Richtung, aus der wir gekommen sind, taucht jedoch bald wieder auf, nachdem sie erkannt haben, welcher Sandkasten ihnen am Ende der Straße auflauert. Wir leihen ihnen kurz unsere Karte, dann verschwinden sie in die andere Richtung, die wohl zu einer Hauptstraße führt. Auch wir schwingen uns schließlich wieder auf unsere Sättel und radeln weiter.

Wenige hundert Meter vor Sembzin kündigt sich dann Unheil an. Eine Bistrotisch-Anordnung mit festgeklebtem Kaffeeservice macht Werbung für ein Atelier-Café im Ortsinneren. Mir ist klar, dass dort ein längerer Aufenthalt unvermeidbar ist. Kordula ist jedenfalls mit einem Mal putzmunter. Das große rotgestrichene Bauernhofgebäude in der kleinen Ortschaft ist nicht zu verfehlen. An einem der wenigen Tische draußen, die im Schatten liegen, lasen wir uns nieder. Es dauert ein bisschen, bis die Inhaberin sich unserer annimmt, da sie zugleich den Verkaufs- als auch den Café-Betrieb schmeißen muss, dafür sind sowohl Kordulas Eiscafé, als auch mein gemischter Eisbecher — eigentlich ist es eher ein Eisteller — ganz vorzüglich. Dann wirft sich Kordula ins Ladeninnere, um diverse Kaufobjekte zu begutachten. Von allen Dingen hat es ihr ein Blechhuhn ganz besonders angetan, das allerdings auch ein bisschen was kostet. Von anderen Stücken schießt sie Fotos in der Hoffnung, ihr Papa könne sie ihr nachbauen. Als ich sie endlich aus dem Laden raus habe und wir schon an den Fahrrädern sind, geht sie schließlich noch einmal hinein. "Das kann dauern", ruft mir ein Mann im Vorbeigehen grinsend zu, der offensichtlich auch zu dem Laden gehört. Ich warte. Irgendwann taucht Kordula wieder auf, ein Päckchen unterm Arm. Sie hat das Huhn gekauft. Nun haben wir wenigstens ein Geschenk für unser Haus, das ja bald Geburtstag hat. Später an diesem Tag geben wir dem Huhn dem Namen Adelheid.

Nördlich von Sembzin nähert sich der Weg wieder dem Wasser, ohne es jedoch wirklich zu erreichen. Zudem nehmen uns die Bäume die Sicht. Wir radeln an der Strandpromenade von Klink entlang, ohne die ursprünglich geplante Badepause einzulegen. Die Strandbäder an denen wir vorbeikommen, sind uns zu voll und zu laut. Erst als wir wieder in den nächsten Waldabschnitt eingetaucht sind, lassen wir uns von einer überdachten Tischgruppe mit beeindruckenden Spinnen im Gebälk zu einer weiteren Pause locken. Dann führt der Weg wieder hoch zur Straße. Der Reeckkanal — Wasserverbindungsweg zwischen der Großen Müritz und dem westlicher gelegenen Kölpinsee muss über eine Brücke überwunden werden. Die Stelle, wo der Fahrradweg wieder von der Straße abzweigt, verpassen wir irgendwie. Erst auf Höhe des Campingplatzes Kamerun finden wir wieder eine Gelegenheit, zum Wasser hinunterzufahren. Wir kommen am Hochseilgarten vorbei, wo allerdings nicht mehr so viel los ist, und gelangen schließlich wieder nach Waren. Unweit der Stelle, wo wir gestern abend am Schiffsanleger gesessen haben, werfen wir uns auf eine freie Parkbank und holen unseren Katzenkrimi aus dem Rucksack.

Die Frage, wo wir zu Abend essen sollen, ist schnell entschieden. Nette Lokale zum Sitzen und auf den See zu gucken gibt es ja genug. Aber ein Fisch-Restaurant von der Klasse des Klabautermann wird uns so schnell im Leben nicht noch einmal begegnen. Bevor wir dorthin radeln, machen wir einen Abstecher zur Post, wo wir uns zum einen am Automaten mit Barem versorgen, zum anderen unsere Kontoauszüge ausdrucken lassen, die uns verraten, dass unsere Ex-Vermieter nun endgültig ihre Schulden beglichen haben. Schließlich halten wir auf die Straßenecke zu, an der wir uns gestern so gut aufgehoben gefühlt haben. Diesmal haben wir nicht ganz so viel Glück. Die vier Tische im Freien sind besetzt, so dass wir kurz ins Wanken kommen, ob wir es nicht doch woanders probieren sollen. Dann aber gehen wir ins Restaurant hinein. Zu unserer großen Überraschung gibt es innen auch nur vier Tische. Hier ist jedoch einer frei, an dem wir uns niederlassen. An der Decke kreisen zwei Ventilatoren und versuchen verzweifelt gegen die Hitze anzukämpfen. Die resultiert nicht nur von dem heißen Sommerwetter sondern auch davon, dass sich die Küche quasi mit im Gastraum befindet. Hinter der Theke wirbelt der Koch mit einer Küchenhilfe. Es zischt, brutzelt und riecht. Doch wir wissen ja bereits, dass das Essen dieses Manko wettmachen wird. Die Kellnerin sieht verschwitzt und völlig fertig aus, ist aber nicht minder freundlich als gestern. Heute lasse auch ich mich auf ein Fischgericht ein, einen Salat mit Fischfiletstreifen, wozu ich ein Radler trinke. Kordula entscheidet sich für die Müritzforelle und einen Riesling Traminer. Beides schmeckt einfach göttlich. Erst nachdem wir bezahlt und das Restaurant verlassen haben, bemerken wir, dass uns die Kellnerin die zwei Klabautermännchen nicht in Rechnung gestellt hat, die wir uns zum Abschluss noch bestellt haben.

Zwar müssen wir schon um 21.00 Uhr die Fahrräder am Campingplatz zurückgeben, doch noch haben wir ein wenig Zeit und so spazieren wir die Strandpromenade entlang und lassen uns unweit des Schnitzel-Restaurants mit — an diesem Abend absolut erträglicher — Live-Musik am Ufer nieder. Während die Möwen vor uns auf dem Wasser dümpeln, sehen wir der untergehenden Sonne zu.

Dann heißt es Abschied nehmen. Ein letztes Mal quäle ich meinen Hintern auf den verhassten Sattel meines Leihfahrrads und wir treten den Heimweg an. Die Rückgabe der Fahrräder schaffen wir nicht ganz so pünktlich, aber böse ist man uns deshalb nicht. Da wir an diesem Abend so früh wieder am Campingplatz sind, kommen wir auch in unserem Katzenkrimi noch ein Stück weiter und beginnen schon einmal Wetten abschließen, wer denn nun der Mörder ist.

Home     |     Copyright © 2006 likizo.de     |     Haftungsausschluss