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Im BĂ€renwald MĂŒritz


GelÀndedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Mi, 30. Juli 2008]

Das Wetter versucht an diesem Morgen, uns den Abschied von Mecklenburg leicht zu machen. Zum ersten Mal seit vielen Tagen ist der Himmel wieder voller Wolken. Im Radio kĂŒndet der Wetterbericht von einer eintĂ€gigen Sonnenpause. Eine Gruppe Jugendlicher, die ein StĂŒck von uns weg campiert, interessiert das an diesem Morgen nicht. Als ich in der frĂŒhen DĂ€mmerung zur Toilette musste, saßen die vor ihren halbeingefallenen Zelten — ihre AbspannschnĂŒre haben sie sich wohl spaßeshalber gegenseitig gelöst — und waren am Grillen und Herumflachsen. Nun herrscht dort drĂŒben Ruhe.

WĂ€hrend Kordula Brötchen und zugleich das Auto holt, zerlege ich "Lisa" und kann so schon mal probieren, wie gut sich die Einzelteile in die neuen SĂ€cke verstauen lassen. Vor allem bei der Bootshauttasche bin ich ein wenig skeptisch, doch so klein diese auch ausschaut, die Bootshaut nimmt sie ohne grĂ¶ĂŸere Probleme in sich auf.

Wir genießen unser letztes FrĂŒhstĂŒck. Dann fĂŒgen wir uns in unser Schicksal, bauen das Zelt ab und verstauen nach und nach unsere Sachen im Auto. Ein letzter Blick zurĂŒck auf den schönen See, dann sind wir im Auto. Über den Feldweg hoppeln wir zurĂŒck auf die Dorfstraße und von dort auf die Hauptstraße in Richtung Mirow. Am Ortsausgang von Mirow kommen uns an einer Lidl-Filiale vorbei. Wir nutzen die Gelegenheit und stocken unsere Fahrtverpflegung auf. Als wir die Karte in unserem Autoatlas studieren, fĂ€llt uns auf, dass sich unweit von der Stelle, wo wir auf die Autobahn A19 Richtung Berlin auffahren wollen, das Örtchen Stuer mit dem BĂ€renwald MĂŒritz befindet. Auf den sind wir gestoßen, als wir vor einigen Tagen unseren GĂ€stepass, den wir in Waren erhalten haben, durchgeblĂ€ttert haben. Auch da wurde unser Interesse schon geweckt, doch lag uns das ganze zu weit vom Schuss, als dass wir es in unseren Urlaub eingeplant hĂ€tten. Nun jedoch sieht die Sache anders aus. Ganz wie von selbst hat sich fĂŒr unseren letzten Urlaubstag noch ein netter Programmpunkt gefunden. Eine ErmĂ€ĂŸigung hĂ€lt der GĂ€stepass zwar nicht bereit, aber einen Gutschein fĂŒr ein BĂ€renwaldhalstuch, auf das Kordula sehr gespannt ist.

Wir setzen unsere Fahrt unter einem milchig grauen Himmel fort. Die Fahrt bis zur Autobahn zieht sich in die LĂ€nge. Das letzte StĂŒck nach Stuer geht dafĂŒr recht flott von statten. Das Örtchen selbst ist klein und unscheinbar. Ohne die Schilder, die den BĂ€renwald ausschildern, wĂŒrde man hier durchfahren, ohne es ĂŒberhaupt wahrgenommen zu haben. Wir steuern den Parkplatz an, der zu diesem Zeitpunkt bereits gut gefĂŒllt ist. Als wir aussteigen und uns Richtung Eingang des BĂ€renwaldes aufmachen, beginnt es leicht zu nieseln.

Wir besorgen unsere Eintrittskarten und bekommen sogleich unser BĂ€renwaldhalstuch. Es ist einfach nur schwarz, darauf steht zu lesen "3 Minuten oder 30 Jahre". Kordula ist ein wenig enttĂ€uscht. Die gleichen TĂŒcher bekommen wir ein weiteres Mal in die Hand gedrĂŒckt, um uns damit fĂŒr ein Rollenspiel hinter dem Eingang die Augen zu verbinden. Dass der BĂ€renwald MĂŒritz nicht ein stinknormaler Zoo ist, ist uns anhand der Informationen im GĂ€stepass schon im Vorfeld klar geworden. SpĂ€testens jetzt wird auch dem unaufmerksamsten Besucher verdeutlicht, dass es hier nicht darum geht, sich bei einem heiteren Zoobesuch ein paar Tiere angucken zu können, sondern dass hier dem Besucher vermittelt werden soll, unter welchen Bedingungen BĂ€ren in deutschen Tierparks und Tierschauen leben mussten und zum Teil immer noch mĂŒssen. Wir tasten uns durch ein kleines Labyrinth, wĂ€hrend um uns herum einige Tonbandsequenzen abgespielt werden. Dialoge, die typische Szenen nachstellen, wie sie sich vor den Gehegen öffentlicher Zoos abspielen: "Hallo BĂ€r, mach doch mal was ... Der liegt ja nur herum ... Kann der denn keine KunststĂŒcke, oder so? ... Irgendwie sieht der krank aus". Danach hören wir das Knallen einer Peitsche und die barschen Befehle eines Dompteurs im Zirkus, der einem BĂ€ren KunsstĂŒcke beizubringen versucht. Drei Minuten dauert diese EinfĂŒhrung fĂŒr uns. Danach fĂŒhlt man sich gelĂ€utert. Als wir uns entlang der ZĂ€une, die den Rundweg durch den Park von dem weitlĂ€ufigen BĂ€renareal abtrennen, auf die Suche nach den BĂ€ren begeben, haben wir dank einer Informationstafel eine grobe Vorstellung von dem Lebensweg der einzelnen hier lebenden Tiere. Zwei von ihnen mussten als BĂ€renbabys in den KĂ€figen des Streichelzoos der Landesgartenschau Sindelfingen 1990 die Zuschauerattraktion abgeben, ohne dass man zu diesem Zeitpunkt ein Konzept entwickelt hatte, was mit ihnen zu geschehen habe, wenn sie mal wachsen. Eine artgerechte Haltung haben diese Tiere lange Jahre nicht kennengelernt. Hier soll das anders sein. Ein weitlĂ€ufiges, naturbelassenes Areal sorgt dafĂŒr, dass die BĂ€ren ihren ursprĂŒnglichen Trieben und BedĂŒrfnissen nachgehen können, um zu ihren natĂŒrlichen Verhaltensweisen zurĂŒckzufinden. RĂŒckzugsmöglichkeiten fĂŒr die Tiere sind dabei inbegriffen.

Eigentlich rechnen wir deshalb gar nicht unbedingt damit, schnell ein Exemplar zu Gesicht zu bekommen. Dennoch stoßen wir bald auf einen BĂ€ren, der entlang des Zauns seine Runden zieht. Die Begegnung zwischen BĂ€r und Mensch fĂ€llt hier seltsam aus. Still, betroffen, fast ehrfĂŒrchtig werden die Tiere von den Zuschauern betrachtet, in einer Mischung aus Respekt, die man den Lebens- und Leidensgeschichten dieser BĂ€ren entgegenbringt, und schlechtem Gewissen, weil man sich nie bewusst gemacht hat, was ihnen da eigentlich angetan wurde, wenn man sie in den Zirkusarenen oder in den ZookĂ€figen gesehen hat. Doch gerade deshalb ist die Begegnung mit ihnen hier im BĂ€renwald MĂŒritz ein besonderes und empfehlenswertes Erlebnis.

Auf unserer Runde, die lĂ€ngst nicht die zwei Stunden dauert, von denen in den Prospekten die Rede ist, weil die Gehege trotz aller WeitlĂ€ufigkeit dann doch nicht so groß zu sein scheinen, wie wir erwartet hĂ€tten, bekommen wir gut die HĂ€lfte der hier lebenden zehn BĂ€ren zu sehen. Uns kann es ganz recht sein, dass uns hier kein tagesfĂŒllendes Programm zu viel Zeit stiehlt. Wir studieren noch ein paar Informationstafeln am Ausgang und zapfen uns einen Fair-Trade-Kaffee. Der Versuchung, uns noch ein paar Bio-Pommes zu gönnen, widerstehen wir, obwohl die Uhrzeit eine gute Rechtfertigung dafĂŒr hergibt. Dann verlassen wir den BĂ€renwald und spazieren zurĂŒck zu unserem Auto.

Bald sind wir auf der A19 und kauen dabei auf unseren Brötchen. Nun hat unsere Heimfahrt endgĂŒltig begonnen. Doch ein Zwischenziel haben wir noch. In Petzow bei Werder an der Havel hoffen wir, in dem Laden, in dem wir zwei Jahre zuvor ebenfalls an unserem letzten Urlaubstag unsere Mitbringsel erstanden haben, den leckeren Sauerkirschwein von damals wieder zu finden. Bei Werder verlassen wir die A10, auf der wir uns mittlerweile befinden, und suchen fortan verzweifelt nach Ecken, die wir wieder erkennen. SpĂ€testens als wir auf die Straße in Richtung des Campingplatzes an der Riegelspitze abbiegen, kommt uns das ein oder andere bekannt vor. Ich erinnere mich, dass wir damals als AbkĂŒrzung nach Petzow ab dem Campingplatz einen Weg eingeschlagen haben, der eigentlich nur fĂŒr Anlieger und ansonsten als Fahrradstraße gedacht war. Diesmal jedoch bin ich ein braver Verkehrsteilnehmer und bleibe auf der Hauptstraße. Belohnt wird das nicht. Wenige hundert Meter danach stehen wir in einem Stau. Im nervenaufreibenden Stop and Go geht es weiter. Dabei wollten wir doch nur einen kurzen Abstecher machen. Jetzt fehlt nur noch, dass man in Petzow unseren geliebten Sauerkirschwein nicht hat.

Eine halbe Stunde spĂ€ter passieren wir die Baustellenampel, die fĂŒr die Verzögerung verantwortlich ist. Hier biegen wir ab und erreichen innerhalb weniger Minuten unser Ziel. Wir durchstöbern die Obstweinregale, aber den Wein, den wir suchen, finden wir dort nicht. Auf Nachfrage erfahren wir, dass er tatsĂ€chlich schon ausverkauft ist. Bingo! FĂŒr die Daheimgebliebenen erstehen wir ein paar andere Obstweine, dann treten wir konsterniert den RĂŒckzug an.

Die Wegweiser fĂŒhren uns nach etlichen Kilometern zurĂŒck auf die Autobahn, wobei wir erst jenseits des Dreiecks Werder direkt auf die A2 geleitet werden. Wir verschaffen uns Unterhaltung, indem wir den letzten Teil des Hörbuchs von Dan Brown bis zum unvermeidlichen Happy End laufen lassen. Der zu Ende gehende Sprit zwingt uns bald zu einem weiteren Verlassen der Autobahn. Anstelle von Autobahntankstellen scheint es auf diesem Streckenabschnitt nur die sogenannten, etwas abseits von der Autobahn liegenden Autohöfe zu geben.

Kurz vor Hannover macht sich dann unser Appetit bemerkbar. Da wir immer mal wieder gute Erfahrungen damit gemacht haben, anstelle einer RaststĂ€tte, ein kleines Örtchen am Wegesrand anzusteuern und dort nach einem schnuckeligen Restaurant zu suchen, wollen wir das auch heute wieder versuchen. An der Ausfahrt HĂ€melerwald verlassen wir die Autobahn und mĂŒssen uns kurz daruf entscheiden, ob wir lieber nach links ins 1 km entfernte Sievershausen oder nach rechts nach HĂ€melerwald wollen. Leider entscheiden wir uns fĂŒr letzteres. Wir fahren die Hauptstraße des Ortes entlang, sehen etwas zu unserer Linken, was nach Schnellimbiss aussieht, und etwas spĂ€ter ebenfalls auf der linken Seite ein griechisches Restaurant. Dann sind wir schon am Ortsende. Wir wenden und parken an einem Edeka-Markt. Bei dem Griechen habe ich keine ParkplĂ€tze gesehen und außerdem ist es ja nicht so weit bis dahin — denke ich —, und vielleicht entdecken wir ja auf dem Weg dorthin noch einen vielversprechenden Wegweiser in eine Seitenstraße. Leider entdecken wir nichts, und der Weg zum Griechen zieht sich doch ein wenig. Schlimmer jedoch ist, dass das Restaurant gerade Betriebsferien macht. Irgendwie scheint das nicht unser Tag zu sein. Wir fragen einen Passanten, wo man hier essen könnte, der uns daraufhin vorschwĂ€rmt, wie gut man bei dem Griechen essen kann. Ansonten fĂ€llt ihm nichts ein. Wir traben erst einmal weiter. Dann hĂ€lt ein Auto neben uns. Es ist der Mann, den wir eben gefragt haben und dem nun doch noch etwas eingefallen ist. Wir folgen seiner Wegbeschreibung unter einer EisenbahnunterfĂŒhrung hindurch. Dann dĂ€mmert uns, dass er wohl den Imbiss gemeint haben könnte, den wir anfangs von unserem Auto aus gesehen haben, nach dem wir uns inzwischen schon sehnen. Aus ein paar Schritten zu dem Griechen ist mittlerweile eine kleine Tageswanderung geworden.

Dann erreichen wir den Schnellimbiss. Das halbe Dorf scheint hier versammelt zu sein, zumindest der Teil, dem um diese Tageszeit nichts besseres einfĂ€llt, als in einer drittklassigen Imbissbude abzuhĂ€ngen. Das Essensangebot beschrĂ€nkt sich auf das bewĂ€hrte Spektrum zwischen Currywurst und allem, was man in eine Friteuse schmeißen kann. Kordula bestellt sich einen Schaschlik-Spieß mit Pommes, ich mir eine Bockwurst mit Pommes — Dinge, bei denen man eigentlich soviel nicht falsch machen kann. Die Bedienung gibt uns fairerweise noch die Chance, den Imbiss wegen zu langer Wartezeiten vorzeitig zu verlassen, doch die lassen wir leider verstreichen. Dann kommt das Essen, und wir können darĂŒber sinnieren, wen von uns beiden es schlimmer getroffen hat. Wir wĂŒrgen das Zeug runter so gut es geht, zahlen und marschieren den langen Weg zurĂŒck zum Auto. Ein Schnapps wĂ€re jetzt hilfreich, aber ich muss ja leider fahren.

Den Rest der verbleibenden 250 km bringen wir ohne nennenswerte Begebenheiten zu Ende. Irgendwann gegen 20.00 Uhr sind wir wieder zuhause. und freuen uns, dass es unsere Abwesenheit unbeschadet ĂŒberstanden hat. Ein wunderschöner Urlaub ist wieder einmal zu Ende gegangen.

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